Beschauliche Ruhe, verstreute Dörfer, tiefe Wälder, Wasserfälle und sanfte Hügel – wer auf der Suche nach bewussten Naturerlebnissen, Ruhe und Erholung ist, sollte in die französischen Vogesen reisen. Sie sind ein bis zu 1400 Meter hohes Mittelgebirge im Osten Frankreichs und gehören zu den Provinzen Elsass-Lothringen. Sie sind auch das größte zusammenhängende Waldgebiet Frankreichs.
Glänzt das Elsass vor allem durch schmucke Dörfer, charmante Städte wie Colmar und Straßburg, Weinberge, Schlösser und jede Menge Touristen, eröffnet sich in den Vogesen eine ganz andere Welt. Hier scheinen die Uhren langsamer zu ticken und mancherorts sagen sich Fuchs und Hase tatsächlich Gute Nacht. Slow Travel scheint hier seinen Ursprung zu haben. Ich nehme euch heute daher mal mit in die französischen Mittel-Vogesen und habe insbesondere Tipps für die beschauliche Region Vallée de la Bruche für euch.
Slow Travel in den französischen Vogesen:
Tipps für die beschauliche Region Vallée de la Bruche
#1 Das Vallée de la Bruche
Das Vallée de la Bruche liegt in den Mittel-Vogesen, ca. 1 Autostunde südwestlich von Colmar und Strassbourg. Der eigentliche Grund in diese Ecke Frankreichs zu reisen, waren für uns die tollen Nutchel Cabins bei Plaine. Nach mehreren Tagen Sightseeing, Kultur und Menschenmassen in Colmar und seinen unliegenden Dörfchen, wollten wir unbedingt etwas Ruhe und Natur tanken. Aber wir wären nicht die Hibbels, wenn wir nicht auch die Gegend rund um unser beschauliches Waldcamp, von rechts auf links gedreht hätte ;). Das Vallée de la Bruche bietet zwar keine touristischen Hauptattraktionen, dafür aber natürliche Schönheit und ein ausgedehntes Netz an unterschiedlichen Rad- und Wanderwegen. Slow Travel lässt sich hier also zelebrieren.
TIPP: Hilfreiche Informationen und entsprechende Karten erhaltet ihr in der Tourist-Info (Grad Rue 11) im kleinen Ort Schirmeck.
#2 Die entschleunigten Cozy Cabins von Nutchel
Wer in den Cozy Cabins von Nutchel nicht zur Ruhe kommt, ist selber Schuld ;). Sie liegen in der ruhigen Bergwelt des Vallée de la Bruche und es gibt nicht viel äußere Reize. TV, WLAN, Zentralheizung und zig Steckdosen sucht man vergeblich. Man hat daher genug Zeit für ausgedehnte Wanderungen, Fahrradtouren, Bücher lesen und Spieleabende bei Kerzenschein und einem prasselnden Kaminfeuer. Für eine heiße Dusche und eine minimale Stromversorgung ist jedoch gesorgt.
Das Camp liegt nahe des Örtchens Plaine und ist umgeben von Wald. Kinder können hier gefahrlos durch die Gegend stromern und spielen. Und da hier hauptsächlich Familien urlauben, finden die Kids auch schnell Kontakt und entdecken gemeinsam das Camp. Im Übrigen waren (trotz des fehlenden WLAN´s) auch einige Teenager im Camp. Ich könnte mir gut vorstellen, dass in der wärmeren Jahreszeit, am abendlichen Camp-Lagerfeuer schnell analoge Kontakte geknüpft werden ;).
#3 Wanderung auf den mystischen Donon
Der Donon ist mit seinen 1000 Metern der höchste Berg der nördlichen Vogesen und es ranken sich zahlreiche Sagen und Mythen um ihn. Schon in der Frühzeit war er eine mystische Stätte und sein Name Donon stammt vom keltischen Wort „Dun“ (Berg) ab. Die Römer weihten diesen Orte ihrem Gott Merkur und in der Zeit Napoleons wurde auf dem Gipfel dann die Nachahmung eines antiken Tempels gebaut. Er wird daher auch heute noch der “heilige Berg” genannt.
Die 4,5 km lange Wanderung auf den Gipfel dauert ca. 1,5 Stunden. Es geht über Stock und Stein, durch Wälder und ständig bergauf. Man sollte daher gut zu Fuß sein. Wir haben direkt auf dem Parkplatz Col du Donon am Hotel & Restaurant de Velleda geparkt. Von dort aus startet auch der Wanderweg in östlicher Richtung.
Auf dem Gipfel angekommen bietet sich dann ein wunderschöner 360 Grad Panoramablick über die Vogesen und den Schwarzwald und man kann den Tempel schon aus der Ferne erkennen. Er wirkt etwas skurril in der Weite der Vogesen, ist gleichzeitig aber auch ein Highlight. Am Donon grenzen im Übrigen die Provinzen Elsass und Lothringen aneinander und bei klarer Sicht kann man bis in die Rheinebene schauen. Auffallend war jedoch, dass auch in der abgeschiedenen Bergwelt des Donon das Waldsterben eingesetzt hat. Der Weg ist gezeichnet von sterbenden Fichten.
Extra Tipp: Auf dem Rückweg unbedingt im Restaurant Le Velleda direkt am Parkplatz Col du Donon einkehren. Das Essen ist phantastisch (insbesondere die Vorspeise und das Dessert waren der Knaller).
Hier findet ihr weitere Tipps für eine Wanderung auf den Donon:
Donon: Wanderung zum mystischen Vogesen-Gipfel
#4 Geschichte tanken im Mémorial de Alsace-Moselle
Wer in die Vogesen reist, sollte sich auf jeden Fall mit der Geschichte dieser Region befassen. Und die bekommt man sehr eindrücklich im interaktiven, modernen Mémorial de l’Alsace-Moselle vermittelt – von 1870 bis in die Gegenwart. Das Grenzgebiet Elsass-Lothringen wurde immer wieder in die Schlingen des Schicksals verwickelt und die Menschen erlebten dramatische Zeiten. Die kriegsreiche und komplizierte Geschichte dieser Region hat daher sichtbare Spuren und Wunden über Generationen hinweg hinterlassen.
Zwischen 1871 und 1918 gehörten die Regionen Elsass und Lothringen, zum von Preußen geführten deutschen Kaiserreich. Daher ist das Elsass bis heute von Zweisprachigkeit geprägt. Französisch ist Verkehrs-, Amts- und Schulsprache, aber es wird auch deutsch und deutsche Dialekte gesprochen. 1940 besetzten dann die Nationalsozialisten das Elsass und erst seit 1945 gehört die Region gänzlich zu Frankreich.
Extra Tipp: Wer sich für Geschichte interessiert, kann sich auch noch Natzweiler-Struthof, das einzige Konzentrationslager auf französischem Boden sowie die Feste Kaiser Wilhelm II anschauen. Im Jahr 1914 war sie mit 254 ha, 40000 m² unterirdischen Flächen sowie 22 Geschütztürmen, die mächtigste und geräumigste Festung des deutschen Reiches.
#5 Kletterspaß im Parc Alsace Aventure
Im Parc Alsace Aventure in Breitenbach gab es nach so viel Geschichtsunterricht, dann ne Runde Action für die Jungs. Hier kann man sich durch Bäume hangeln, Bungee Jumpen, Paintball spielen oder mit einem Offroad E-Roller durch den angrenzenden Wald fahren.
Extra Tipp: Unbedingt vorher erkundigen, ob sich französische Schulklassen angemeldet haben. Als wir dort waren, war es wegen eines Schulausfluges brechend voll. Daher haben wir zeitlich leider nicht mehr unsere Tour mit dem E-Roller geschafft, auf die wir uns eigentlich sehr gefreut hatten. Mit dem Offroad E-Roller kann man eine Tour durch den angrenzenden Wald machen.
#6 Die Hochebene Champ du Feu
Der Champ du Feu ist mit einer Höhe von über 1000 Metern, die höchste Erhebung der Mittel-Vogesen und sein Gipfelplateau ist von weitläufigen Heide- und Moorflächen geprägt. Die Winter sind kalt und schneereich, daher sind die Hänge des Champ du Feu beliebt bei alpinen Skifahrern und Rodlern, aber auch Langläufer erfreuen sich an ca. 100 km gespurten Loipen. Unweit des Champ du Feu liegt die mondäne Skistation Le Hohwald.
In der warmen Jahreszeit werden die Skifahrer von Wanderern abgelöst, denn hier gibt es unzählige Wanderwege. Mit Kindern kann man gut eine analoge Orientierungswanderung durch den Forêt Domaniale machen. Statt mit dem Handy vor der Nase, sind wir also mit der Karte durch den Wald gelaufen. Anhand von verschiedenen Kartenzeichen wie Hügeln, Gräben, Pfaden, Bächen, Wurzelstöcken etc. mussten wir durchnummerierte Stationen ausfindig machen, an denen wir uns Wander-Stempel abholen konnten. Da sich die Wanderung also wie eine analoge Schnitzeljad gestaltet, haben kleine und größere Kinder auf jeden Fall ihren Spaß daran.
Extra Tipp: Die Karte für die Orientierungswanderung sowie viele weitere Wanderkarten, erhaltet ihr im Tourist-Office in Schirmeck.
#7 Die Geburtsstunde des Kindergarten: Das Oberlin Museum
Hättet ihr es gewusst? In den Vogesen liegt die Geburtsstunde des Kindergartens, so wie wir ihn kennen. Pastor Jean-Frédéric Oberlin gründete 1769 den ersten Kindergarten der Welt, inmitten des armen Vogesen-Tals und war seiner Zeit somit weit voraus. Sein Ziel war es, eine neue Gesellschaft aufzubauen und Menschen von klein auf in ihren intellektuellen, handarbeitlichen und geistlichen Maβen zu bilden.
Im hübschen Oberlin Museum in Waldersbach bekommt man die Entstehung seiner pädagogischen Arbeit sehr gut vermittelt. Sein Lehrkonzept lautete „spielend lernen“ und war somit quasi Vorreiter von Maria Montessori. In seinem ehemaligen Pfarrhaus sammelte der Pfarrer, Philosoph und Pflanzensammler unzählige Exponate, mit denen er die Sinne und die aktive Teilnahme der Kinder beförderte.
Die umfangreiche Sammlung zeigt Spielzeuge, Unterrichtsblätter, Alltagsgegenstände, Funde aus der Natur aber auch Reise-Souvenirs aus aller Welt. Auf dem Rundgang über mehrere Etagen, kann man Schubladen öffnen, Fundstücke anfassen und Arbeitsmittel benutzen. Wer mag, kann sich aber auch mit der „Oberlin-App“, Texte und Auszüge seines Schaffens anhören oder einfach durch den idyllischen Kräutergarten wandeln.
Weitere Tipps:
ANREISE: Da wir mehrere Stationen auf unserer Reise durch das Elsass abgeklappert haben, waren wir mit unserem Auto unterwegs. Man kann die Region aber auch sehr gut mit der Bahn erreichen. Von Strassbourg aus, fährt die Bahn in knapp 50 Minuten nach Schirmeck. Von hier aus kann man die Region z.B. prima mit dem E-Bike erkunden.
REISEZEIT: Wahrscheinlich hat jede Jahreszeit in den Vogesen ihren besonderen Reiz. Im April war die Natur jedoch noch im Umbruch und während es im Elsass schon grünte und blühte, waren die Bäume in den Vogesen z.T. noch kahl. Ich würde daher den späten Frühling, Sommer oder Herbst favorisieren.
ELSÄSSISCHE KÜCHE: Die elsässische Küche ist deftig und fleischlastig, daher musste ich als Vegetarierin mehrfach Fünfe gerade sein lassen. Fleisch befindet sich eigentlich in fast jedem Gericht. Fallt daher ja nicht auf den Salat Elsässer Art rein, der aus einer Brühwurst und einem Haufen Käse besteht ;).
Im Vallée de la Bruche findet ihr keine hippen Veggie-Läden, dafür jedoch ein paar urige und schickere Restaurants. In der Ferme Auberge du Ban de la Roche in Bellefosse, haben meine Kinder eine beeindruckend große Schweinehaxe gegessen. Im Restaurant Velleda gibt es erstklassige Menüs mit Thunfisch Ceviche, Vitello Tonnato, Steaks und einer grandiosen Pavlova. Und im Restaurant Neuhauser, nahe der Nutchel Cabins, gibt es leckere Fischgerichte.
Seid ihr schon mal in die Vogesen gereist? Ich muss gestehen, dass ich in der abgeschiedenen Ruhe und Beschaulichkeit erstmal ankommen musste. Für echtes Slow Travel-Feeling waren 4 Tage daher eigentlich zu kurz.