Je rauher der Ton in unserem Leben wird, desto öfters überkommt mich der Wunsch nach einem Haus im Nirgendwo. Umgeben von Wald und Wiesen, einem beschaulichen Flüsschen, einer Schar Hühner und einem Selbstversorgergarten. Das dies immer mehr Menschen so geht, zeigen aktuelle Studien. Spätestens seit Corona wünschen sich viele Städter ein Haus mit Garten auf dem Land.
Wir haben diesen Luxus schon seit 8 Jahren, wenn auch nur zur Miete. Von richtigem Landleben sind wir hier im Speckgürtel zwar weit entfernt, aber immerhin haben wir einen großen Wald, Felder, Pferdekoppeln und gackernde Hühner vor der Haustür. Während dem Lock Down war das unsere mentale Rettung und solange sich Städte nicht grundlegend ändern, würde ich diese Ruhe für kein Geld der Welt mehr eintauschen wollen.
Aber natürlich hat das ländliche Leben auch viele Nachteile wie z.B. der fehlende ÖPNV, nette Cafes, spannende Kultur, Biosupermärkte, Yoga-Kurse etc. etc. Als absolute Stadtpflanze hat mich der Umzug von Köln aufs Dorf anfangs extrem belastet. Heute bekomme ich die Krise, wenn ich mich mit zig Menschen durch eine Einkaufsstraße schieben muß.
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Land oder Leben: Die ungeschönte Wahrheit über den Schritt in die Natur!
Auch der Müncher Filmemacherin Claudia Heuermann ging das so. Mit Mann und zwei kleinen Söhnen lebte sie mitten in München und hatte all die vermeintlichen Annehmlichkeiten des Stadtlebens. Was für Singles und Paare noch cool ist, wird für eine Familie auf Dauer jedoch anstrengend. Konsum und Kultur wird mit Kindern zweitrangig und Stress, Smog und Straßenschluchten, sind nicht das, was sie sich für ihren Nachwuchs wünscht. Ihre Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben in unberührter Natur wächst. Als sie irgendwann genug von Themen wie überteuerten Mieten, Plastikmüll, Klimwandel und Massentierhaltung haben, wagt die Familie den Ausstieg.
Da ihr Mann einen amerikanischen Pass hat, landen sie auf einer alten Farm von 1830, mitten in der wunderschönen Berglandschaft der Catskill Mountains, nördlich von New York. Über ihren Traum, ihren Ausstieg in die Wildnis, ihr Selbstversorgerleben, die vielen glücklichen Momente aber auch vielen Herausforderungen und Tücken, hat sie nun ein großartiges Buch geschrieben.
Land oder Leben: Wie unser Traum von einer Farm in der amerikanischen Wildnis endete*
Und ich habe es geradezu verschlungen, mitgelacht, mitgefiebert und mitgeweint.
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Ihr beschauliches Leben auf der Farm ist anfangs ein Traum. Die Kinder werden inmitten unberührter Natur groß, sie schafft sich Hühner und Ziegen an, stellt Ahornsirup, Käse und Seife her und freut sich über selbst angebautes Bio-Gemüse. Doch der Traum vom beschaulichen Leben nimmt bald eine unerwartete Wendung ein: wilde Tiere, heimtückische Plagen, pausenlose Knochenarbeit und Naturgewalten bedrohen die Idylle. 7 Jahre lang meistert die Familie alle Herausforderungen und Gefahren und werden dann auf die Probe ihres Lebens gestellt.
Die Autorin beschreibt in einer ungeschönten, persönlichen und bildgewaltigen Sprache den Schritt in die Natur. Ihren Tieren räumt sie dabei einen ganz besonderen Platz ein. Ich freue mich, als die ersten Küken aus dem Ei schlüpfen, fühle den Schmerz als die ersten Ziegen gehornt und geschlachtet werden und weine am Ende des Buches um einen Hahn. Ich grusel mich zu Tode bei Bärenangriffen und Zeckenplagen und fühle das Glück in den idyllischen Landmomenten. Fröhlich spielende Kinder, gackernde Hühner, herumtollende Zicklein und naturbelassene Nahrung.
Der Preis für all dies ist jedoch hoch und am Ende wird die Familie, in abgespeckter Form, nach München zurückkehren. Ich möchte jetzt aber nicht weiter spoilern, daher lest am Besten selber.
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Freundlicherweise hat mir die Autorin noch ein paar persönliche Fragen beantwortet, die ich euch nicht vorenthalten möchte.
Interview mit der Autorin Claudia Heuermann
Liebe Claudia, Dein Buch hat mich wirklich gefesselt und gerührt. Das ich mal beim Tod eines Hahnes heulen würde, hätte ich auch nicht gedacht. Wie sehr hat sich nach eurer Zeit auf der Farm Dein Verhältnis zu Tieren verändert? Du hast sie ja wie richtige Protagonisten mit ganz eigenen Charakteren und Persönlichkeiten beschrieben. Kann man danach wirklich noch Tiere essen?
Die letzte Frage zuerst: Nein, ich kann keine Tiere mehr essen, tatsächlich bin ich durch die Zeit in der Wildnis zum Vegetarier geworden. Ich stellte fest, dass ich nicht mit gutem Gewissen Tiere töten, Tiere schlachten kann. Also sollte ich sie auch nicht essen, fand ich. Tierlieb war ich allerdings schon immer: Seit ich denken kann habe ich Regenwürmer vom Fußweg gerettet, ausgetrocknete Frösche wieder ins Wasser gesetzt und verstoßene Vogelküken aufgepäppelt. Wie sehr wir aber doch die Tierwelt unterschätzen, das ist mir erst auf der Farm klargeworden.
Denkst Du, dass eure Zeit auf der Farm Deine Kinder nachhaltig geprägt hat? Als Teenies finden sie das Landleben ja naturgemäß nun öde. Aber aus eigener Lebenserfahrung weiß man ja, dass es einen als Erwachsenen ja doch oft wieder zu seinen Wurzeln zurückzieht, bzw. dass man Dinge aus seiner Kindheit wiederholt.
Da bin ich mir ganz sicher! Die Kinder haben so viel gelernt, sehen vieles jetzt mit anderen Augen, wertschätzen Alltägliches. Die beiden essen zwar noch Fleisch (dass ich ihnen aber nur direkt vom Bauern kaufe) – wenn sie jetzt jedoch in einen Hähnchenschenkel beißen, dann sehen sie dabei gleichzeitig das lebendige Tier. Auch was die Umwelt betrifft, haben sie viel mitgenommen und sind da auch, in ihrem Rahmen, ganz aktiv, räumen zum Beispiel nicht nur ihren eigenen, sondern auch anderer Leute Müll weg, pflegen Bienen, kaufen Glas statt Plastik. Und mein älterer Sohn, der jetzt demnächst den Führerschein machen könnte, will überhaupt kein Auto haben….
Denkst Du rückblickend, dass Du vielleicht zu naiv warst und Dir das Landleben zu einfach vorgestellt hast? Als Städter kann man sich ja sicher nur ansatzweise vorstellen, was so ein Selbstversorgerleben in der Wildnis für Widrigkeiten mit sich bringt. Zumal so ein Landleben in den USA ja auch nochmal ne andere Nummer ist als in Europa.
Ja, ganz bestimmt. Obwohl es auch sehr viele schöne Moment gab, war es doch überhaupt nicht so romantisch und idyllisch, wie ich mir das vorgestellt hatte. Theoretisch wusste ich natürlich, dass Tierhaltung und Gemüseanbau viel Arbeit mit sich bringen, aber die Praxis ist dann doch nochmal eine andere Geschichte. Auch dass es wilde Tiere gab, wussten wir natürlich, aber dass die ständig unsere Hühner fressen, das kam in meinen Träumen nicht vor. Und dann gab es natürlich noch die ganzen unvorhergesehenen Überraschungen, Plagen, Naturkatastrophen, mit denen wir nicht gerechnet hatten. Als schließlich mein Mann und die Kinder keine Lust mehr hatten, da war mir klar: Dieser Traum hat jetzt definitiv zu einem Erwachen geführt…
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Hast Du noch Hoffnung für unseren Planeten bzw. die Rettung unseres Klimas? Seit eurem Umzug aufs Land, hat sich die Lage ja nochmal deutlich dramatisiert. Und wenn ja, wie könnte das aussehen? Müssten wir alle so leben wie ihr auf eurer Farm?
Ich glaube nicht, dass alle so leben müssten wie wir, ganz im Gegenteil. Ich selbst habe mich in der Wildnis schon manchmal wie ein Eindringling gefühlt und gedacht, je mehr Menschen sowas machen, desto weniger Lebensraum bleibt den wilden Tieren…. Da braucht es also einen Mittelweg. Und zur Klimarettung muss man, glaube ich, auch woanders ansetzen. Da muss die Politik was machen, Massentierhaltung muss verboten werden, Fleisch, Milch und Eier müssten mindestens doppelt so teuer werden, Benzin auch, die Maßnahmen zur Co2 Reduzierung müssen viel radikaler sein. Da dürfen wir nicht aufhören, die Politiker zu bearbeiten…. Daneben kann aber auch jeder selbst was tun, egal ob in der Stadt oder auf dem Land: Weniger Fleisch- und Milchprodukte konsumieren, Plastik vermeiden, öfter Fahrrad fahren… auch der kleinste Schritt ist ein Schritt in die richtige Richtung….
Euren Umzug nach München nach all den Jahren auf dem Land, stelle ich mir krass vor. Da ich selber auf dem Land wohne, kann ich es mir aktuell nicht mehr vorstellen, zwischen all dem Lärm und Dreck zu leben. Kann man sich da wirklich wieder dran gewöhnen oder denkst Du, dass es noch Teil 3 Deiner Lebensreise geben wird?
Auf jeden Fall wird es einen nächsten Teil geben! Denn du hast völlig recht: Die Stadt kommt mir lauter und enger vor als je zuvor, daher zieht es mich auch immer wieder raus, zum Wandern in die Berge zum Beispiel…. Tatsächlich träume ich auch jetzt schon wieder davon, irgendwann irgendwo ein Häuschen mit Garten zu haben. Nicht ganz so abgelegen und abenteuerlich wie unsere Farm in der Wildnis – aber Hühner müssen auf jeden Fall dabei sein!!
Für den Fall, dass ihr von einer Farm in der Wildnis träumt, solltet ihr dieses Buch auf jeden Fall lesen. Ich fand es wirklich toll und extrem aufschlußreich. Für mich ist damit klar, dass ich meinem Lebenstraum eigentlich schon sehr nahe bin. Ich hätte gerne schönere Natur, einen größeren Garten und eigene Hühner. Aber ich muß nicht in der Wildnis leben, um glücklich zu werden und erfreue mich hin und wieder auch nochmal über die Annehmlichkeiten der Stadt. Und ihr so? Liebt ihr die Stadt, zieht es euch raus oder könntet ihr euch gar ein Leben in der Wildnis vorstellen?
Offenlegung: Da dieser Beitrag Verlinkungen enthält und das nach derzeitiger Rechtslage als Werbung gilt, kennzeichne ich ihn hiermit als WERBUNG. Bitte beachtet jedoch, dass fast alle meine Beiträge persönliche Tipps, Menschen oder Orte enthalten. Dies geschieht entweder im Rahmen meiner redaktionellen Themenauswahl oder als persönliche Empfehlung. Jede bezahlte Kooperation auf Planet Hibbel wird immer als solche gekennzeichnet. Das Buch Land oder Leben wurde mir kostenfrei vom Conbook Verlag für eine Rezension zur Verfügung gestellt.
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2 comments
Ich habe das Buch auf Deine Empfehlung gelesen und war auch sehr beeindruckt. Wenn ich nicht schon Vegetarierin sein würde, wäre ich es jetzt! Mir ging es wie Dir – mir stand beim Lesen teilweise der Mund offen und ich habe mich mitgegruselt (vor Bären, Kojoten, Zecken), aber auch mitgefiebert und mich mitgefreut. Ich denke, ein Mittelweg wäre toll – naturbelassen mit eigenem Garten zu leben, dabei aber noch Einkaufsmöglichkeiten (für die Lebensmittel, die man nicht in ausreichender Menge selbst anbauen kann) und Ärzte usw. in Fahrradnähe zu haben. Schöne Grüße!
Uah! Die Zecken waren grässlich, oder? Man stellt sich sowas ja immer alles so romantisch und toll vor, aber danach war ich dann doch froh, dass wir hier im Notfall alles vor der Tür haben. Freut mich jedenfalls, dass Dir das Buch gefallen hat. GlG, Nadine