Corona-Gedankensalat

4 Dinge, die ich durch den Pandemiestress über mich erfahren habe

by nadine

2020 ist das Jahr der Hürden, Schwierigkeiten, Ängste und Sorgen. Das empfindet wohl fast jede Generation seit den Babyboomern so, denn noch nie zuvor haben wir in Deutschland etwas wirklich Schlimmes miterleben müssen. Mit ist natürlich bewusst, dass eine Krise wie Covid19 nicht mit Krieg, Flucht oder Hungersnot gleichzusetzen ist. Trotzdem empfinde ich diesen Pandemiestress, neben den ersten Anzeichen des Klimawandels, als relativ schwierige Herausforderung. Abgesehen von den privaten Tragödien, die jeder Mensch im Laufe seines Lebens erfährt.

Das Verrückte an dieser Krise ist, dass sie total skuril und ambivalent ist. Wir haben ein Zuhause und genug zu essen, aktuell noch keine Existenznöte und sind gesund. Was will ich mehr und worüber soll ich mich beklagen und jammern? Womit wir uns aber täglich herumschlagen ist Psychoterror, der uns total matschig in der Birne macht. Denn wir führen einen Kampf gegen einen, nein zwei unsichtbare Feinde. Weder Klimawandel noch Covid19 können wir bisher so richtig sehen und doch sind Beide schon mitten unter uns und richten immensen Schaden an.

Wir werden 24/7 mit besorgniserregenden Meldungen zugeballert, die deprimierend und angsteinflößend sind. Seit 8 Monaten tragen wir Masken, halten Abstand, haben sämtliche Freizeitaktivitäten sowie sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert und Deutschland nicht mehr verlassen. Trotzdem bringen all diese Einschränkungen gefühlt nichts. Wir sitzen mitten im größten Corona-Hotspot NRW, haben nun den 2. Lockdown Light und jeden Tag Sorge, dass unsere Kinder das Virus aus der Schule mit nach Hause bringen. Das hat auch psychische Auswirkungen auf meine Jungs, die eigentlich unbeschwert draußen spielen oder teeniemäßig mit Gleichaltrigen draußen abhängen sollten.

Wir müssen uns schützen und können es trotzdem nur bedingt. Es fühlt sich an, als würden wir sehenden Auges in ein Messer laufen oder als ob ständig ein Damoklesschwert über unseren Köpfen baumelt. Und wer hätte schon gerne ein unbekanntes Virus, das ggfss. Tod und dauerhafte Schäden mit sich bringt? Wir vermissen unsere Freiheit und Unbeschwertheit, den Kontakt zu anderen Menschen und überhaupt die Welt da draußen. Es fällt wirklich nicht leicht, der ganzen Situation noch etwas Positives abzugewinnen. Und doch habe ich durch diese Krise ein paar Dinge über mich erfahren, die mir vorher nicht unbedingt bewusst waren.

4 Dinge, die ich durch den Pandemiestress über mich erfahren habe

#1 Ich brauche recht wenig um glücklich zu sein!

Gut, das wusste ich eigentlich schon seit meiner einjährigen Weltreise, als mein Hab und Gut in einen 12kg Rucksack passte. Zuvor hatte ich meinen Hausstand aufgelöst und was übrig blieb, passte in eine Garagenecke meiner Eltern. Im Laufe der Jahre und besonders mit Kindern neigt man jedoch dazu, sein Leben mit Zeugs vollzumüllen. Das mich all dieser Ballast stresst, war mir auch vor Corona schon bewusst. Aber das ich auch an Action und Entertainment gar nicht soviel brauche, war mir nicht klar. Denn irgendwie hielt ich mich über all die Jahre ja für Frau Hibbel. Die mit den Hummeln im Hintern, die ständig neuen Input und Highlights braucht.

Dieser Input besteht aber definitiv nicht aus wilden Parties und Events, neuestem Hipsterkram, Kneipenbesuchen oder der trendigsten Wohnungseinrichtung. Vielmehr besteht er aus ganz viel Zeit in der Natur und mit Menschen, die mir nahe stehen. Muße für die einfachen Dinge im Leben, spannende Gespräche am Lagerfeuer, inspirierende Bücher und Filme, kleine aber feine Konzerte oder Zeit, um sich kreativ auszutoben. Daher wäre es für die Menschheit auch mehr als tragisch, wenn Corona unsere kulturelle Vielfalt killen würde.

#2 Ich kann als Travel-Junkie auch Reise-Entschleunigung!

Unser 3wöchiger Deutschlandtrip im Sommer war eine seltsame Erfahrung. Einerseits war es wunderschön, andererseits fehlte mir die Exotik des Reisens. Wir waren von Zuhause fort und irgendwie doch nicht. Nachdem wir aber nun auch in den Herbstferien nur im eigenen Land unterwegs waren, spüre ich tatsächlich eine Art Reise-Entschleunigung bei mir. Oli vom Weltreiseforum hat die Tage dazu einen sehr interessanten Post geschrieben. Die Welt auf Entzug: Gibt es wirklich eine Reisesucht?

Nun ich denke schon, dass ich eindeutig mit einem Reise- oder Nomadengen auf die Welt gekommen bin. Während es mich schon immer in die Welt hinauszog, fand z.B. mein Bruder nie groß Interesse daran. Ich glaube aber mittlerweile auch, das Reisen ein Stück weit süchtig machen kann. Denn der Reisende ist, anders als der Urlauber, immer auf der Suche nach neuen Abenteuern, Highlights und Orten, an denen man keine anderen Touristen findet. Daher müssen immer neue Superlativen her. Und irgendwann findet man sich dann halt im Dschungel Papua Neuguineas oder in der Antarktis wieder und muß den Mond anvisieren.

Dieses Jahr wurde ich in Punkto Reisen zwangsentschleunigt und was ich anfangs echt gruselig fand, empfinde ich mittlerweile ein Stück weit befreiend. Denn Fakt ist nun mal, dass ich für großartige Natur, fremde Kulturen, Sprachbarrieren und Abenteuer nicht um die Welt fliegen muß. Wenn man nämlich genau hinschaut, findet man all das auch im eigenen Land und erst Recht auf unserem so extrem vielfältigen Kontinent. Ich möchte immer noch nach China oder Japan reisen. Aber ich habe dieses Jahr erfahren, dass ich meine Reiselust und unbändige Neugier auf die Welt, auch in Deutschland oder im nahen Ausland austoben kann. Man muß sich jedoch darauf einlassen und genau hinschauen.

#3 Ich möchte noch weiter raus aufs Land!

Bis vor 10 Jahren war ich eine totale Stadtpflanze und unser Zwangsumzug aufs Land, war für mich anfangs eine Katastrophe. Mittlerweile kann ich mir ein Leben in der Stadt nicht mehr vorstellen, solange sich diese nicht grundlegend verändert haben. Städte sind für mich nur noch lebenswert, wenn sie z.B. aussehen wie Kopenhagen oder andere skandinavische, klimafreundliche Orte. Zu viele Menschen, Autos und Lärm stressen mich einfach und das ist durch Corona nicht besser geworden. Auch unser NRW-Dorf fühlt sich mittlerweile nach Vorstadt an. Der Autoverkehr hat sich durch Corona nochmal vermehrt und an manchen Tagen habe ich das Gefühl, ich wohne an einer Autobahn.  Daher möchte ich noch viel weiter raus aufs Land. Es muß jetzt auch nicht das Outback Australiens sein, aber ich brauche weder Menschenmassen noch Einkaufsstraßen. Ich möchte dafür Ruhe und Natur, einen Gemüsegarten und eine Hühnerschar.

Noch sind wir hier aus familiären Gründen gebunden, aber für mich ist klar, dass ich in den nächsten Jahren weg möchte. Sehr inspirierend fand ich dbzgl. unseren Besuch auf dem Kunterbunthof in Mecklenburg Vorpommern. André und Jenni sind totale Weltenbummler, leben aber seit 2014 im idyllischen 27-Einwohner-Dörfchen Bäbelin und die Welt kommt, in Form von interessanten Menschen aus allen Herren Ländern, zu ihnen nach Hause.

#4 Ich bin ruhiger und sesshafter geworden, als ich je für möglich gehalten hätte!

So wie unser Sohn wird auch mein Blog bald 10 Jahre alt und wenn ich mir das hier so rückblickend anschaue, habe ich mich in dieser Dekade doch sehr verändert. Das ist sicher meinem Alter geschuldet und der Tatsache, dass wir in Hinblick auf den Klimawandel nicht in diesem Tempo weiterleben können. Corona hat aber bestimmt sein Übriges getan und ich denke, das geht vielen Menschen so. So ätzend dieses Virus auch ist, hat es doch auch Gutes bewirkt. Es hat unseren atemlosen Lifestyle zum Stillstand und Downgraden verdonnert und zwingt uns nun umzudenken. In jeder Hinsicht.

Mich hat diese Schnelllebigkeit in den letzten Jahre oft gestresst und ich dachte häufig, wie ruhig und entschleunigt mein Leben dagegen doch in den 90er Jahren war.  Tatsächlich habe ich mich nach unseren Herbstferien sogar, das erste Mal seit langer Zeit ein bißchen auf unser Zuhause gefreut. Ich bin also ruhiger und sesshafter geworden, als ich es je für möglich gehalten hätte.

Was sagt mir das nun also? Ich befürchte fast, ich könnte einen neuen Blognamen gebrauchen und muß Planet Hibbel wohl in Planet Slow umtaufen ;). Wie geht es euch mit der aktuellen Situation und habt ihr vielleicht ähnliche Dinge erlebt und über euch erfahren? Würde mich sehr interessieren.

Offenlegung: Da dieser Beitrag Verlinkungen enthält und das nach derzeitiger Rechtslage als Werbung gilt, kennzeichne ich ihn hiermit als WERBUNG. Bitte beachtet jedoch, dass fast alle meine Beiträge persönliche Tipps, Menschen oder Orte enthalten. Dies geschieht entweder im Rahmen meiner redaktionellen Themenauswahl oder als persönliche Empfehlung. Jede bezahlte Kooperation auf Planet Hibbel wird immer als solche gekennzeichnet.

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3 comments

Tonja 28. Oktober 2020 - 20:59

Ach Nadinsche, I feel you! Mir geht es sehr ähnlich. Einerseits ist das alles sehr kräftezehrend und frustrierend. Andererseits tut es gut zu wissen, dass in diesem Jahr nicht alles nur für die Tonne ist. Es gibt tatsächlich auch ein paar positive Erkenntnisse. Mach weiter so! Ich les Dich so gern. Liebe Grüße, Tonja

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nadine 29. Oktober 2020 - 9:51

Ach, das freut mich so sehr. Danke, liebe Tonja!

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Tim 30. Oktober 2020 - 19:51

Ich komm sofort mit Dir auf die abgelegene Hühnerfarm. Vorher halte ich aber Winterschlaf bis März. Hoffentlich nicht März 2025. VG, Tim

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