Kürzlich wurde Sarajevo von der New York Times zu den Trendzielen 2023 gekürt. Ich kann der Times nur zustimmen – die gerade mal 270.000 Einwohner zählende Stadt ist zauberhaft, exotisch, erschreckend und berührend zugleich. Letzten Sommer haben wir Sarajevo auf unserem Roadtrip durch den Balkan besucht und rückblickend habe ich mich geärgert, dass wir für die Stadt und Bosnien-Herzegowina insgesamt, nicht mehr Zeit eingeplant haben.
Denn das kleine Land ist wunderschön und wirkt mit seinen malerischen Bergen, smaragdgrünen Flüssen, imposanten Schluchten und muslimischen Wurzeln wie ein kleines Shangri-La. Mitten in Europa. Auch Sarajevo ist, mit seinem orientalischen Flair und der österreichisch-ungarischen Architektur, eine echte Perle. Leider hatten wir zu wenig Zeit und mussten Sarajevo ein wenig im Laufschritt absolviert. Daher verrate ich euch heute mal die wichtigsten Highlights und warum ihr der Stadt auf jeden Fall etwas mehr Zeit widmen solltet.
Highlights in Sarajevo:
Entdeckt die phantastische Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina
Ich gebe zu: Sarajevo hatte es nach unserem Aufenthalt im pittoresken Mostar nicht leicht. Bei unserer Ankunft regnete es Bindfäden, wir suchten einen Arzt und unsere Unterkunft war nur so lala. Zudem wirkten die obligatorischen Plattenbauten der Vorstadt auch nicht gerade einladend. Meine Laune war daher im Keller und Sarajevo fand ich erstmal doof. Als am nächsten Tag die Sonne wieder schien, entpuppte sich Sarajevo jedoch als kleines Juwel.
- Highlights in Sarajevo:
- Entdeckt die phantastische Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina
Fakten über Sarajevo
- Sarajevo ist die Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina.
- Die Stadt ist mit etwa 270.000 Einwohnern überschaubar groß und man kann die historische Innenstadt gut zu Fuß erkunden.
- Sarajevo ist die Schicksalsstadt Europas, denn hier wurde der 1. Weltkrieg ausgelöst.
- In den Bergen rund um Sarajevo fanden 1984 die Olympischen Winterspiele statt. Noch heute kann man Relikte aus dieser Zeit besichtigen.
- Während des Bosnienkrieges von 1992 – 1995 wurde Sarajevo ganze dreieinhalb Jahre lang belagert und tausende Menschen verloren ihr Leben.
- Sarajevo gilt als als das „Jerusalem Europas“, denn hier liegen christliche, jüdische, orthodoxe und muslimische Gotteshäuser nah beieinander.
- Durch Sarajevo fahren alte Straßenbahnen der Kölner KVB. Mein Mann hat sich des Öfteren gefragt, ob er damit nicht als Teenie durch Köln gecruist ist.
#1 Die Schicksalsstadt Europas
#1.1 Die Lateinerbrücke und der 1. Weltkrieg
Sarajevo hat wie kaum eine andere Stadt, die Geschichte Europas eklatant geprägt. Denn am 28. Juni 1914 wurden der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie am Nordende der Lateinerbrücke in Sarajevo erschossen. Dieses Attentat löste den 1. Weltkrieg aus und stürzte Europa in den Abgrund. Wenn man heute durch Sarajevo wandelt, lässt sich dieses dramatische Ereignis nur noch erahnen.
Die Lateinerbrücke, mit ihren vier Bögen, ist relativ unauffällig und nur eine kleine Infotafel erinnert an den Mord. Im nahegelegenen Museum of Sarajevo 1878 – 1918 bekommt ihr jedoch Informationen rund um dieses historische, weltumspannende Ereignis sowie die Welt der Habsburgermonarchie.
#1.2 Der Bosnienkrieg von 1992 bis 1995
Immer noch allgegenwärtig ist jedoch der Bosnienkrieg von 1992 bis 1995. Wie auch in Mostar, trifft man in der ganzen Stadt immer wieder auf Einschußlöcher, Granateneinschläge oder die „Sarajevo Rose“. Diese blumenähnlichen Mahnmale weisen darauf hin, dass an dieser Stelle ein Mensch in den Tod gerissen wurde. Ins bosnische Gedächtnis gebrannt hat sich auch der entsetzliche Völkermord von Srebenica. Hierzu soll es im Museum Galerija 11/07/95 eine sehr bewegende und aufwühlende Ausstellung mit Bild-, Video- und Tonaufnahmen geben.
Zudem brennt in Sarajevo die „Ewige Flamme“, die eine ganz besondere Atmosphäre ausstrahlt. Sie steht am Ende der Einkaufsstraße Ferhadija und ist eine Gedenkstätte für die Opfer des Zweiten Weltkriegs. Außerdem soll man von der Gelben Bastion und den umliegenden Friedhöfen eine tolle Aussicht über die ganze Stadt haben. Auf den Grabfeldern sind viele Opfer des Krieges bestattet.
Persönlicher Hinweis: Ich muss an dieser Stelle erwähnen, dass wir Ausstellungen wie die Galerija 11/07/95 oder auch das Museum of War and Genocide Victims in Mostar ausgelassen haben. Besichtigt haben wir nur den Tunnel of Sarajevo, siehe Punkt 5. Da ich dieses Thema sehr bedrückend fand, wollte ich es unserem 11-jährigen Sohn erst Recht nicht zumuten. Zumal besonders viele Kinder aus Sarajevo dem Krieg zum Opfer gefallen sind. Alleinreisende Erwachsene sollten sich aus meiner Sicht aber unbedingt mit diesem Kapitel befassen. Man hat Bosnien-Herzegowina sonst nicht wirklich mit dem Herzen gesehen.
#2 Osmanische Basare und Kaffeehaus-Atmosphäre
Sarajevo ist aufgrund seiner Basar- und Kaffeehausatmosphäre sehr besonders. Hier trifft Orient wirklich auf Okzident. Die Altstadt, mit den Basaren, Moscheen und Minaretten, ist osmanisch geprägt und man fühlt sich z.T. nach Istanbul gebeamt. Im neueren Teil, mit seiner österreichisch-ungarischen Architektur, wähnt sich dagegen glatt in Wien.
Direkt am Flussufer der Miljacka liegt das wunderschöne, gestreifte Rathaus von Sarajevo aus dem 19. Jahrhundert. Die aufwendige Restaurierungsarbeiten wurden erst 2014 abgeschlossen, um die Kriegsschäden zu beseitigen. Leider war es bereits geschlossen als wir dort waren, aber ein Besuch soll sich unbedingt lohnen. Drinnen warten prächtige Säle, hohe Säulengänge und Buntglasfenster.
Extra Food-Tipp: Wenn Ihr mal eine Abwechslung von Ćevapčići sucht, kann ich auch The Singing Nettle unbedingt ans Herz legen. Ein kleines, aber feines Restaurant, in dem es köstliche bosnische Küche gibt. Es gibt u.a. Brennessel-Kuchen oder Brennessel-Ravioli. Hört sich erstmal etwas schräg an, ist aber megalecker. Zudem sind die Besitzer sehr freundlich und es ist gemütlich. Reserviert jedoch möglichst einen Tisch vor. Das Singing Nettle ist gut besucht.
#3 Das orientalische Zentrum Baščaršija
Die Baščaršija ist die Altstadt und das orientalische Zentrum von Sarajevo. Hier befindet sich der einstige Basar, der Sebilj-Brunnen sowie die Gazi Husrev-Beg Moschee. Mit ihrem ganz besonderen Flair ist sie das Highlight von Sarajevo. Auf dem zentralen Platz der Baščaršija, befindet sich der historische Holzbrunnen Sebilj. Die gepflasterten Gassen des Basars erstrecken sich rund um den Brunnen. Hier befinden sich viele Geschäfte, Cafés und Restaurants, es duftet nach Holzkohle, Ćevapčići und bosnischen Mokka und man fühlt sich wahrlich in eine Welt außerhalb Europas gebeamt.
Tipp: Die Gazi Husrev-Beg Moschee darf auch jeder Nicht-Moslem außerhalb der Gebetszeiten besichtigen. Kleidungsvorschriften müssen aber natürlich respektiert werden. Frauen müssen ein Kopftuch mitbringen oder sich eins vor Ort ausleihen. Wir konnten sie bedauerlicherweise nicht besuchen, aber sie soll sehr sehenswert sein.
#4 Die moderne Fußgängerzone Ferhadija
Wenn man sich von der orientalisch geprägten Altstadt Richtung Westen bewegt, landet man in der Fußgängerzone und Flaniermeile Ferhadija. Hier reihen sich moderne Shops, Cafes und Restaurants aneinander und in den Abendstunden steppt der Bär und ganz Sarajevo scheint auf den Beinen zu sein. Hinter der Fußgängerzone liegen moderne Shoppingmalls und Gebäude mit bis zu 40 Stockwerken.
Tipp: Das höchste Gebäude von ganz Bosnien-Herzegowina ist der Avaz Twist Tower, der wirklich nicht zu übersehen ist. In der 36. Etage soll es eine Aussichtsplattform geben, von der man eine tolle Aussicht über ganz Sarajevo hat.
#5 Lost Place: Die Bob-Bahn von Trebević
Am südlichen Stadtrand von Sarajevo erhebt sich das heutige Naherholungs- und Wandergebiet Trebević auf einer Höhe von 1.627 Metern. 1984 war der Hausberg von Sarajevo eine der Austragungsorte der Olympischen Winterspiele. Man kann ihn von der Talstation (die unweit des Zentrums liegt) in 8 Minuten mit einer Seilbahn erreichen. Wir sind jedoch mit dem Mietwagen auf den Berg gefahren und haben am Pino Nature Hotel* geparkt. Von dort aus ist es ein kleiner Hike zur Bergstation der Gondel und diversen schönen Viewpoints. Die Seilbahn hat auch ein modernes Café samt Aussichtsplattform.
Das Highlight von Trebević ist jedoch die einstige Bob-Bahn der Olympischen Spiele. Im Krieg wurde die Bahn als Schützengraben genutzt und vom Berg aus wurde die Stadt bombardiert. Heute ist die Graffiti bemalte Bob-Bahn ein Lost Place. Die z.T. überwucherten Strecken kann man durchlaufen (und sogar mit dem Mountainbike befahren) und sind ein kleines Abenteuer. Die Atmosphäre ist auf jeden Fall beschaulich, skurril und spooky zugleich.
#6 Tunnel of Sarajevo
Der Sarajevo-Tunnel ist ebenfalls ein ganz besonderer Ort, den man sich unbedingt anschauen sollte. Er liegt nahe des Flughafens und war während des Bosnien-Krieges überlebenswichtig für die Einwohner der Stadt. Da es für die Menschen, während der Belagerung Sarajevos durch die Serben, lebensgefährlich war, sich auf den Straßen sehen zu lassen, musste man sich unterirdisch bewegen. Dafür wurde, in einem recht unscheinbaren Haus, ein unterirdischer 800 Meter langer Tunnel mit bloßen Händen gegraben, der unter einer UN-Schutzzone lag.
Nur durch diesen Tunnel konnten die Einwohner Sarajevos während der 3 1/2 Jahre langen Besatzung versorgt werden und überleben. Den Tunnel kann man, ausgestattet mit Helmen, besichtigen und auch das kleine Museum ist außerordentlich interessant und bewegend. Hier haben sich sogar schon Stars aus aller Welt eingefunden. Als wir dort waren haben zudem Veteranen sehr eindrücklich über diese Zeit berichtet – sie waren so alt wie wir.
Hinweis: Der Tunnel ist aus meiner Sicht ein Must See, erwartet jedoch kein perfekt durchorganisiertes Museum. Es mangelt mitunter an Schildern auf Englisch und es gibt auch nicht den obligatorischen touristischen Schnickschnack. Man kann den Tunnel von der Innenstadt in einer Stunde mit dem Bus erreichen, wir waren jedoch mit unserem Mietwagen vor Ort. Nahe des Museums gibt es kostenpflichtige Parkplätze, die von Einheimischen betrieben werden.
Sarajevo mit Kindern:
Sarajevo bzw. Bosnien-Herzegowina ist auch mit Kindern unbedingt eine Reise wert. Das Land ist wunderschön, die Menschen sind außerordentlich freundlich und kinderlieb und es gibt viel zu entdecken. Man sollte sich allerdings bewusst machen, dass der Krieg erst 30 Jahre her ist. Die Kriegsspuren sind mancherorts immer noch sichtbar und wenn man sich etwas intensiver mit diesem Kapitel befasst, ist man mitunter wirklich erschüttert.
1992 war ich 20 Jahre alt und während ich 1 1/2 Flugstunden entfernt ein entspanntes Leben führte, kämpften Gleichaltrige ums nackte Überleben. Man wird während einer Reise daher auch immer wieder damit konfrontiert, dass Menschen in meinem Alter ihre Familien verloren haben und eine Waffe in den Händen hielten. Wir haben mit Kind daher den ein oder anderen Ort ausgelassen, auch wenn es uns Erwachsene interessiert hätte. Abgesehen davon ist Sarajevo eine sichere Stadt und wir haben uns zu keiner Sicht unwohl gefühlt.
PIN ME:
Anreise nach Sarajevo:
Natürlich könnt Ihr Sarajevo einfach mit dem Flugzeug erreichen. Airlines wie die Austrian Airlines oder LOT fliegen die Hauptstadt an. Ich würde euch jedoch zu einer Anreise mit dem Nachtzug nach Zagreb raten und von dort aus einen Roadtrip durch mehrere Länder machen. Ich verspreche euch, es ist ein kleines Abenteuer ;)! Wo findet man sowas schon noch in Europa?
Habt Ihr schon mal über einen Trip nach Sarajevo bzw. Bosnien-Herzegowina nachgedacht? Vielleicht konnte ich euch mit diesem Beitrag ja überzeugen, dass das kleine, exotische Land unbedingt eine Reise wert ist.
Hier findet Ihr weitere Reiseinspirationen für Bosnien-Herzegowina und den Balkan:
Kroatien mit Kindern
Inselhopping mit der Familie in Dalmatien
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3 comments
Liebe Nadine
Puh, richtig krass, dass man die Einschusslöcher vom Krieg noch an den Wänden des Hauses sieht. War es denn beängstigend in dem Tunnel zu stehen, wenn man weiss, warum der existiert?
Den Lost Place würde ich mir auf jeden Fall auch direkt anschauen gehen.
Danke fürs Mitnehmen und liebe Grüsse
Lisa
Nein, beängstigend fand ich es nicht. Aber schon ergreifend und natürlich auch etwas verstörend. Gerade am Sarajevo Tunnel berichten ja auch (gleichaltrige) Veteranen aus dieser Kriegszeit. Das bekommt man dann irgendwie gar nicht mit seinem persönlichen Heile-Welt-Bild in Einklang. Dennoch ist es ein Must-See. Und die alte Bob Bahn sowieso. GlG, Nadine
Ich bin ein wahrer Bosnien-Herzegovina-Fan und habe bereits sämtliche Artikel über dieses Reiseziel gelesen. Der Artikel ist sehr spannend und einzigartig. Danke für das Schreiben über dieses Reiseziel und die Highlights von Sarajevo. Ich wünsche https://planethibbel.com/ weiterhin viel Erfolg.