Deutschlands faszinierendste Ruine

Tipps für die Beelitzer Heilstätten und den Baumwipfelpfad

by nadine

Seit eh und je schlägt mein Herz für Lost Places. Geschichtsträchtige, verlassene Orte, die seit Jahrzehnten vor sich hin rotten und von der Natur zurückerobert wurden. Wir selber wohnen in einem 150 Jahre alten Bauernhäuschen und ich würde mich oftmals gerne in eine Zeitmaschine setzen. Wer weiß, was sich in unseren 4 Wänden schon für Dramen und Liebesgeschichten ereignet haben?

In Nordrhein Westfalen gibt es leider kaum noch Lost Places und wenn dann sind sie durch Stacheldraht und hohe Zäune vor neugierigen Besuchern geschützt. In Brandenburg gibt es jedoch noch einige solcher Orte. Echte Urbexer verraten Lost Places allerdings nicht, damit sie vor Vandalismus und Insta-Touristen geschützt sind. Und natürlich werden auch immer mehr dieser verlassenen Orte saniert, wie z.B. die Beelitzer Heilstätten oder auch die Lungenheilstätte in Hohenlychen in der Uckermark.

Deutschlands faszinierendste Ruine:

Tipps für die Beelitzer Heilstätten und den Baumwipfelpfad

#1 Anreise zu den Beelitzer Heilstätten

Die Beelitzer Heilstätten, ein ehemaliges Sanatorium für lungenkranke Berliner aus dem Jahr 1898, standen schon lange auf meiner Bucket-Liste und unser Besuch im November war definitiv eins meiner Highlights 2017. Die Heilstätten liegen, wie es der Name schon sagt, im kleinen Ort Beelitz, ca. 50 km vor den Toren Berlins. Wir sind mit dem Auto angereist, aber es gibt wohl auch eine direkte Zugverbindung.

#2 Geschichte der Heilstätten

Auch wenn die Beelitzer Heilstätten gerne ihr Gruselimage abstreifen möchten, sträuben sich einem beim ersten Betreten der Gebäude doch erstmal ein wenig die Nackenhaare. Die einstige Vorzeige-Tuberkuloseklinik, die von 1898 bis 1930 in Betrieb war, ist ziemlich morbide und  wirkt mancherorts auch ein bißchen scary. Nachts möchte man nun wirklich nicht allein hier herumlaufen.

#2.1 Tuberkulose Sanatorium

Anfang des 20. Jahrhunderts starb in Berlin jeder 3. Mensch an der bakteriellen und verheerenden Lungenkrankheit Tuberkulose. In den engen Mietskasernen der einfachen Berliner Bevölkerung schlug die Krankheit erbarmungslos zu und viele Kinder wurden zu Waisen. Damit den Berliner Fabrikanten nicht sämtliche Arbeiter wegstarben, beschloss man die Kranken für ein paar Wochen, in die extra gebaute Arbeiter-Lungenheilstätte zu schicken. Dort hatten es die einfachen Proletarier so gut, dass sie meist relativ schnell wieder genasen.

Der moderne Gebäudekomplex mit 1200 Betten, Badeanstalten, komfortablen Zimmern, großen Speisesälen und sogar Klimaanlage, war in eine Männer- und eine Frauenklinik aufgeteilt. Kurschatten waren jedoch strengstens untersagt. Wer sich nicht daran hielt, durfte sofort nach Hause fahren. Zu den prominentesten Gästen gehörten u.a. Adolf Hitler, der hier im 2. Weltkrieg mal kurz behandelt wurde und Erich Honecker, der nach dem Fall der Mauer in die Heilstätten flüchtete, um einer Verhaftung zu entgehen. Von hier aus wurde er weiter nach Moskau geflogen und reiste dann nach Chile aus.

#2.2 Militärhospital und skurrile Party-Location

Während des ersten Weltkrieges wurde das Sanatorium Auffanglager für die vielen schwer verletzen Soldaten. Nach dem zweiten Weltkrieg, der durch Bombenangriffe Spuren hinterlassen hatte, wurde die Anlage militärisches Sperrgebiet und war dann jahrzehntelang größtes russisches Militärhospital außerhalb der Sowjetunion. Ab 1994 lag ein Großteil der Gebäude dann komplett brach und Randalierer und Plünderer tobten sich aus. Wand und Bodenfliesen von Villeroy & Boch wurden z.B. aus den Böden gerissen, um das heimische Badezimmer zu kacheln, Fenster eingeworfen und die Wände mit Graffitis beschmiert.

Außerdem fanden dort heimliche Parties und Geisterbeschwörungen statt. Angeblich sollen immer wieder mal Schreie aus dem Chirugie-Gebäude gehört worden sein. Fakt ist jedenfalls, dass der Spruch „Die Lunge aus dem Hals schreien“ hier geboren wurde und wir möchten eigentlich gar nicht genauer wissen, warum.

#3 Führungen durch die Heilstätten

Schon mal vorab…. man kann nicht auf eigene Faust durch die vielen Gebäudekomplexe der Heilstätten laufen. Der Zerfall ist an einigen Stellen so extrem, dass wirklich Gefahr für Leib und Leben besteht. Dächer, Treppen oder gar Böden können jederzeit einbrechen. Wer sich hier alleine rumtreibt, muß auf jeden Fall mit einer Anzeige rechnen. Es ist jedoch möglich geführte Touren zu machen.

Wir hatten das Glück eine Exklusivtour vom Marketing-Manager des Geländes zu bekommen. 1000 Dank an dieser Stelle auch nochmal für die sehr spannende und kurzweilige Führung. Wer kann, sollte kleinere Kindern bei einer solchen Tour besser zuhause lassen. Unsere Jungs fanden die Führung zwar auch spannend, aber statt mit Fotografieren war ich sehr oft damit beschäftigt, sie vor einem Sturz o.ä. zu bewahren.

#4 Der Baumwipfelpfad Baum & Zeit

Seit 2015 gibt es direkt in den Heilstätten den 320 Meter langen Baumwipfel- und Zeitreisepfad Baum & Zeit, der sich wirklich perfekt in die Kulisse schmiegt. Der einzigartige, barrierefreie Pfad windet sich auf einer Höhe von 23 Metern durch die Baumkronen der Beelitzer Parkanlage und entlang der Weltkriegsruine. Vom 40 Meter hohen Aussichtsturm hat man bei schönem Wetter eine grandiose Ausicht und kann am Horizont den Berliner Fernsehturm sichten. Anfang November hatten wir zudem eine bezaubernde Aussicht auf das bunte Blätterdach der Baumkronen. Eine Besonderheit ist das Alpenhaus, auf dessen Dach seit 60 Jahren ein wilder Wald wächst. Etwas, das ich wirklich spektakulär fand und mich fast ein wenig an die Ruinen von Angkor Wat in Kambodscha erinnert hat.

Die Wald- und Parkanlage ist 200 Hektar groß, es gibt ein Cafe, viele Picknicktische und Parkbänke und im Sommer einen Barfußpark. Man kann sich hier also auch mit Kindern gut und gerne einige Stunden aufhalten. Beachtet jedoch bitte unbedingt die Öffnungszeiten. Im Winter ist nämlich nur am Wochenende geöffnet.

Da ein Teil der Heilstätten bis 2028 komplett saniert werden soll, rate ich Euch, sie möglichst bald zu besuchen. Neben einem Besucherzentrum werden dann auch schnieke Eigentumswohnungen, Ateliers und Büros entstehen. Wie die Heilstätten saniert aussehen, kann man jetzt schon im Männerkomplex sehen. Ich muß gestehen, dass ich den großen Speisesaal saniert kaum wiedererkannt habe. Das abgerockte Pendant dazu, kann man im Frauenkomplex sehen und es ist wirklich erstaunlich, wie die Investoren es geschafft haben, den alten Gebäuden wieder Leben einzuhauchen. Der morbide Charme geht dadurch jedoch leider etwas verloren.

Erzählt mal…. kennt ihr auch so einen Lost Place, den wir unbedingt mal besuchen sollten? Sei es in Deutschland oder im Rest der Welt. Ich war mal in Norwegen in einem alten verfallenen Bauernhaus und in Schweden auf einem verrockten Autofriedhof mitten im Wald. Das fand ich auch sehr cool. 

Offenlegung: Wir wurden von Baum&Zeit zu dieser geführten Tour durch die Heilstätten und über den Baumkronenpfad eingeladen. Auf meinen Beitrag hat dies keinen Einfluss.

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7 comments

Viermal Fernweh 15. Januar 2018 - 21:58

Beelitz Heilstätten hat mich auch total beeindruckt. Wir waren im Spätsommer dort, wenn ich Deine Bilder sehe, ist der Herbst noch schöner.
Es gibt noch eine (verfallene) Lungenheilanstalt im Berliner Norden, aber die ist leider hinter Schloss und Riegel.
Liebe Grüße, Ines

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Nadine 17. Januar 2018 - 10:34

Liebe Ines, wahrscheinlich hat jede Jahreszeit ihren ganz eigenen Reiz. Der Herbst war allerdings wirklich sehr pittoresk. Rund um Berlin gibt es glaub ich noch jede Menge zu entdecken. Darum beneide ich Euch ja ein wenig. LG in meine zweite Heimat, Nadine

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Anna 16. Januar 2018 - 14:24

Wow, ich bin geflasht. Wir teilen die Faszination für Lost Places und ich muss wohl in diesem Jahr genau da oben mal hinfahren! Danke für den ausführlichen Bericht und Tipp!!
Liebe Grüße, Anna

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Nadine 17. Januar 2018 - 10:35

Lieben Dank, Anna und fahr möglichst bald hin, weil die Sanierungen wohl schon Ostern beginnen sollen. LG, Nadine

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Nicole 16. Januar 2018 - 22:31

Liebe Nadine,
ich bewundere schon ständig die tollen Fotos von Inka, jetzt machst du mir die Heilstätten auch noch schmackhaft. Vielen Dank für die spannenden Hintergrundinfos und den morbiden Touch, muss sein bei Lost Places. Mein liebster, selbst besuchter Lost Place ist ganz klar die Ruine des 5-Sterne-Hotels Monte Palace auf den Azoren, permanentes Kopfschütteln garantiert.
Liebe Grüße, Nicole

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Nadine 17. Januar 2018 - 10:36

Danke schön, liebe Nicole. Lost Place auf den Azoren hört sich auch sehr spannend an. Hast Du davon einen Bericht? Das würde ich gerne mal sehen. LG, Nadine

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Sandra 26. Januar 2018 - 23:39

Hallo Hibbelchen,
Ich liebe Ruinen! Sie regen einfach meine Fantasie an! Ein total interessanter Post, aber besonders gefallen hat mir das Foto von der Gebäudefront mit den hohlen Fenstern und dem auf dem Gebäude wachsenden Bäumen! Extrem surrealistisch! Wie eine Mischung aus Escher und Magritte! Toll!
Gros bisou
Sandra

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