Familienreisen und Klimawandel

Werden mir meine Kinder unsere Reisen in 20 Jahren danken?

by nadine

Jahrelang hat es mich mit meiner Familie in die große weite Welt gezogen. Ob nach Südafrika, Thailand, Kanada oder auf die Malediven. Ich bin vor meinen Kindern extrem viel gereist. Mit Geburt meiner Söhne wollte ich an diesem Zustand definitiv nichts ändern. Wir haben die Jungs also einfach immer mitgenommen und das hat auch prima geklappt. Mein gerade mal 8jähriger Sohn war dadurch bereits in 24 Ländern und hat somit schon mehr von der Welt gesehen, als manch ein Erwachsener. Reisen mit Kindern ist aus meiner Sicht unglaublich wichtig und eröffnet neue Horizonte. Auch kleine Kinder profitieren schon sehr davon und bekommen einen ganz besonderen Blick auf die Welt. Sie erfahren u.a., dass unsere Erde ein sehr fragiler und schützenswerter Ort ist und wir keinen Planet B haben.

Reisen öffnet auch den Horizont von Kindern!

Viele Leute sagen, Kinder hätten nichts von solchen Reisen und könnten sich sowieso später nicht daran erinnern. Ich glaube jedoch, dass Kinder jede Erinnerung in den tiefsten Windungen ihres Gehirns abspeichern und diese den Charakter formen. Nach jeder Reise konnte ich einen enormen Entwicklungssprung bei meinen Kindern beobachten. Aber macht sie das nun zu besseren Menschen? Sicher nicht. Ob ein Kind zu einem toleranten, weltoffenen oder auch umweltbewussten Menschen heranwächst, hat nichts mit der Anzahl der bereisten Länder zu tun. Das geschieht einzig und allein durch positive Vorbilder in Form der Eltern oder anderen nahen Bezugspersonen. Aber jeder noch so kleine Blick über den Tellerrand ist auch für Kinder positiv.

Als wir vor 8 Jahren unsere Elternzeit in Thailand mit Baby und Kindergartenkind planten, waren wir quasi allein auf weiter Flur. Viele Leute fanden unseren Plan absurd bis gefährlich, andere fanden ihn spannend. Instagram war den allermeisten Menschen noch völlig unbekannt und so entstand mein Blog Planet Hibbel. Um Freunde und Familie auf dem Laufenden zu halten, aber auch um andere Familien zu inspirieren und motivieren. Kinder zu bekommen bedeutet halt nicht, dass das Leben zu Ende ist und man nur noch an die Ostsee fahren muß.

Reisen mit Kindern ist extrem hip geworden!

Was in den letzten, sagen wir 5 Jahren, nun aus dem Thema Reisen mit Kindern geworden ist, finde ich jedoch zunehmend schwierig. Das kann man allerdings auf das Reisen im Allgemeinen übertragen. In meiner Blase machen nämlich gefühlt sehr viele Familien halbe Weltreisen oder fliegen zigmal pro Jahr in den Urlaub. Reisen mit Kindern ist nicht nur salonfähig, sondern heißer Scheiß geworden. Da werden dann auf Instagram schon die Minis vor den krassesten Kulissen der Welt präsentiert und gezeigt: Seht her, wir sind ne supercoole, hippe Familie! Der Trend scheint dahin zu gehen, dass die Kids schon vor ihrer Einschulung sämtliche Kontintente bereist haben sollten. Was den Effekt hat, das Neid entsteht und immer mehr Familien oft und weit reisen. Wer will schon nach Wangerooge, wenn sich doch Bali so viel besser in den Sozialen Medien macht? Ein ziemlich ungesunder Strudel, der unserem Klima ganz extrem schadet.

Jetzt wird manch einer vielleicht sagen: Ihr seid doch auch nicht anders! Und an dieser Stelle muß ich dann vehement widersprechen. Ich bin noch nie gereist um Länder zu sammeln oder Instagram-Kulissen abzuklappern. Ich habe schon slow travel Weltreisen gemacht, bevor unsere Gesellschaft digital wurde und vielleicht habe ich dadurch sogar noch eine etwas „altmodische Sicht“ auf die Dinge. Es war auch nie mein Ziel, dass meine Jungs schon als Kinder die ganze Welt sehen. Ich wollte einfach immer nur das machen, was ich über alles liebe und mit meiner Familie eine unvergessliche Zeit haben.

Und nun macht uns der Klimawandel einen Strich durch die Rechnung!

In Punkto Klimawandel muß ich mir jedoch an die eigene Nase fassen. Denn den habe ich bei all unseren Reisen nie wirklich bedacht. Klar wusste ich, das Fliegen nicht toll ist, aber da wir immer individuell gereist sind, war unser Fußabdruck vor Ort recht klein. Das ich jedoch mit einem einzigen Fernstreckenflug soviel CO2 in die Luft puste, wie mein Auto das ganze Jahr, war mir nicht klar. Und das mal Vier. Seit ca. 2 Jahren befasse ich mich nun sehr intensiv mit dem Thema Umweltschutz und Klimawandel. Und dadurch ist mir zunehmend bewusst geworden, dass wir so nicht weitermachen können. Und mit wir, meine ich an erster Stelle meine Familie. Denn jeder sollte erstmal vor seiner eigenen Haustüre kehren. Jeder vermiedene Flug ist ein wichtiger Beitrag zum aktiven Klimaschutz.

Denn was nützt es meinen Kindern, wenn ich ihnen die große, weite Welt zeige, sie dadurch aber keine Zukunft mehr auf diesem Planeten haben werden? Klar lieben meine Jungs unsere coolen Trips rund um die Welt.

Aber werden meine Kinder es mir in 20 Jahren auch danken, dass wir so viele tolle Reisen gemacht haben?

Oder werden sie mich fragen, ob wir trotz Klimakrise den Schuß nicht gehört haben? Werden Sie mir Vorwürfe machen, wie wir ihnen die Zukunft sowas von versauen konnten? Ich könnte es verstehen. Wie positiv werden sie sich an die Babyhaie auf den Malediven erinnern, wenn diese Inseln aufgrund der steigenden Meeresspiegel untergehen werden? Was haben sie davon, als Kinder Südafrika bereist zu haben, ihre Heimat 2039 aber vielleicht unter afrikanischer Hitze und Wasserknappheit ächzen wird? Die Zukunftsszenarien sind düster und wenn die Prognosen der Wissenschaftler stimmen, kommen Umweltkatastrophen epischen Ausmaßes auf uns zu. Ich denke, keine Eltern der Welt wünschen ihren Kindern so eine Zukunft.

Aktuell beträgt der Anteil der CO2-Emissionen der Luftfahrt am weltweiten CO2-Ausstoß nur 2,69 Prozent. Deutschland belegt jedoch Platz fünf im Ranking der Staaten mit dem höchsten CO2-Ausstoß von Passagierflugzeugen. Tendenz steigend. Und das auf Kosten der 3. Weltländer. Und unserer eigenen Kinder!

Ich hatte hier auch schon mal über das Thema Flugreisen und Flugfasten geschrieben: Sind zig Flugreisen pro Jahr überhaupt noch angebracht? #my2cents

Wir reisen und zerstören gleichzeitig die Zukunft unserer Kinder!

Bevor wir also den nächsten spontanen Flug buchen, sollten wir uns vorab fragen, ob das nun wirklich sein muß? Und ob der Satz: „Ich möchte meinen Kindern aber die Welt zeigen“, nicht einfach nur egoistisch und kurzsichtig ist. Die Welt fängt nämlich schon vor der Haustür an und nicht erst auf einem anderen Kontinent.

Dies soll jetzt kein Plädoyer zum Nicht-Fliegen werden, denn auch wir werden uns ab und an noch ins Flugzeug setzen. Aber nur noch sehr bedacht, bewusst und reduziert. Mal ganz davon abgesehen, kann man nämlich auch großartige Reisen machen, ohne wie verrückt um die Welt zu jetten. Gerade Europa ist unglaublich vielseitig und wunderschön und kann es locker mit anderen Kontinenten aufnehmen. Und wenn eine Reise umsichtig geplant wird, schafft man es mitunter auch ohne Flugzeug von A nach B zu kommen. Mit Sicherheit ist Slow Travel sogar das größere Abenteuer, als ein schneller Flug. Auch Deutschland sollte wieder viel mehr Beachtung geschenkt werden, denn es ist so viel spannender und glamouröser als die Meisten denken. Und selbst vor unserer Haustür liegen manchmal die besten Abenteuer, für die wir nur blind geworden sind.

 

Über viele Jahre

und unter großen Kosten

reiste ich durch viele Länder

sah die hohen Berge

die Ozeane.

Nur was ich nicht sah

war der glitzernde Tautropfen

im Gras gleich vor meiner Tür.

Rabindranath Tagore (1861 – 1941)

 

Ich habe Fernweh und bin gleichzeitig reisemüde!

Ich weiß, ich bin mit meinem Reiseblog Teil dieses Dilemmas und weiß oft nicht, wie ich da rauskommen kann. Ich bin eine geborene Nomadin und kann mir ein Leben ohne Reisen nicht vorstellen. Gleichzeitig bin ich jedoch reisemüde. Denn ich will nicht Teil des extremen Tourismusproblems sein, das z.T. fatale Folgen für die Umwelt, das Klima und die Menschen vor Ort hat. Mittlerweile werden die Reiseziele immer ausgefallener. Individualreisende zieht es mehr und mehr in die entlegensten Winkel der Erde. Die Menschen trampeln in Grönland herum und schauen sich das schmelzende Eis und die letzten Eisbären an oder reisen nach Kirgisistan und Papua-Neuguinea. Um den Weg für neuen Massentourimus zu ebnen.

Es ist kompliziert! Aber vielleicht hilft es ja, wenn wir auch einfach öfters mal wieder Zuhause bleiben und den hübschen glitzernden Tautropfen vor unserer Nase Beachtung schenken.

Für weitere Infos rund um dieses Thema möchte ich euch im Übrigen sehr die Seite von Tourism Watch ans Herz legen.

Da dieser Beitrag Verlinkungen enthält und das nach derzeitiger Rechtslage als Werbung gilt, kennzeichne ich ihn hiermit als WERBUNG. Bitte beachtet jedoch, dass fast alle meine Beiträge persönliche Tipps, Menschen oder Orte enthalten. Dies geschieht entweder im Rahmen meiner redaktionellen Themenauswahl oder als persönliche Empfehlung. Jede bezahlte Kooperation auf Planet Hibbel wird immer als solche gekennzeichnet.

 

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6 comments

Kristin 25. September 2019 - 20:44

Liebe Nadine, so schwer es auch fällt sich das einzugestehen. Die Frage, was unsere Kinder in der Zukunft davon halten, sollten wir uns in der Tat alle mal stellen. Danke für Deinen Anstoß darüber Nachzudenken. Viele Grüße, Kristin

Reply
nadine 26. September 2019 - 9:36

Vielen Dank, Kristin! Es fällt mir auch sehr schwer, mir das einzugestehen. Und dann auch noch öffentlich. LG, Nadine

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Marina 25. September 2019 - 21:03

Ja, es ist kompliziert und ich kann Dein Dilemma nachvollziehen. Es ist ja schon schwierig, wenn man beruflich nicht mit Reisen zu tun hat. Wie muß es erst Menschen gehen, die bei einer Fluggesellschaft arbeiten? Wir versuchen auch immer seltener zu fliegen und dafür öfters die Bahn zu nehmen. Und ich hoffe, das ein Umdenken bei allen Menschen weltweit stattfindet. Bevor es zu spät ist. VG, Marina K

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nadine 26. September 2019 - 9:39

Hallo Marina, da ich ja selber auch lange für verschiedene Airlines gearbeitet habe, kann ich mich sehr gut in die Lage versetzen. Das war allerdings vor den Zeiten der totalen Billigflieger und Fliegen war zu dem Zeitpunkt dann doch noch etwas besonderer als heute, wo Flugzeuge wie Busse genutzt werden. Da muß unbedingt wieder ein Umdenken stattfinden. Fliegen ja, aber nicht xmal pro Jahr. Es reicht auch, wenn man für die eine große Reise spart und dann direkt länger fliegt als eine Woche. Und da fasse ich mir ebenfalls an die eigene Nase. Auch ich muß da an mir arbeiten. LG, Nadine

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Hartmut 29. September 2019 - 16:43

Es wird nicht ohne persönliche Opfer und Einschränkungen gehen, was aber auch wiederum eine Chance sein kann, neues zu entdecken!
Ich bin da voll bei dir. Ich will persönlich auch nicht dazu beitragen, dass wir unsere Welt kaputtreisen. Da muss man eben sein ganz persönliches Gleichgewicht finden und das tun, was man für sich selbst und seinen Kindern verantworten kann.

Wir schaffen es in unserer Familie leider auch nicht völlig, ohne fliegen auszukommen. Aber dieses Jahr sind es immerhin nur zwei kürzere Flugreisen, um die Familie in Deutschland zu besuchen (und einmal haben wir es sogar mit der Bahn dorthin und wieder zurück geschafft). Zu Beginn des Jahres standen noch Wochenendtrip und Fernreise auf dem Programm…

Dass wir aber langsam unser Bewusstsein ändern, ist ja auch schon etwas!
LG aus dem Norden,
Hartmut

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nadine 30. September 2019 - 8:39

Hei Hartmut! Ja, alle reden immer nur von Verzicht. Vielleicht muß man das auch einfach mal wieder aus einer anderen Perspektive betrachten. Letzten Endes sind wir doch alle total wohlstandsfaul und auch oft -müde geworden. In unserer Kindheit und Jugend war ja nicht alles total schlecht, nur weil wir nicht ständig im Flieger saßen, riesige Autos fuhren, alles bei Internetgiganten bestellten und von morgens bis abends die Welt durch unser Handy sahen. Im Gegenteil. Ich glaube wir hatten echt ein gechillteres Leben als heute. Und letzten Endes sind genau wir diese Generation, die zwar noch so „bullerbümäßig“ groß geworden sind, unsere Kinder aber mit Wohlstand und Luxus überhäuft haben. Die ihre kids mit dem SUV bis ins Klassenzimmer fahren, Fernreisen macht und ihnen fast jeden Wunsch von den Aufgen abließt. Keine Ahnung, wann wir alle diese komische Abbiegung genommen haben, aber da sie unseren Fortbestand gefährdet, müssen wir wieder ein Stück weit zurückfahren. Auch wenn es schwerfällt und sich logischerweise niemand gerne von diesen Annehmlichkeiten verabschiedet. LG nach Schweden, Nadine

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