Die UNESCO Welterbe Hafenstadt Le Havre
Zwischen Postmoderne, Stararchitektur und dem pittoresken Honfleur

4. Juli 2019

„Le Havre? Wurde die Stadt im 2 Weltkrieg nicht komplett zerstört? Was sollen wir denn da?“ Das war in etwa mein erster Gedanke, als wir darüber nachdachten, die größte Stadt der französischen Normandie zu besuchen. Der erste Eindruck bestätigte sich dann an diesem verregneten Tag auch erstmal: graue Beton-Tristesse.

Le Havre ist jedoch eine Stadt, die auf den 2. Blick fasziniert. Denn nachdem die Innenstadt 1944 komplett ausgebombt wurde, erschuf sie sich quasi aus dem Nichts neu. Von 1945 bis 1954 wurde sie vom damaligen Stararchiktekten Auguste Perret und einem Team von 60 weiteren Architekten neu konstruiert und wieder aufgebaut. Perret ließ die zerstörten Überreste der Häuser zu Sand zermahlen und mischte daraus getönten Beton, der den Gebäuden unterschiedliche Nuancen verleiht. Und das gibt der Hafenstadt heute ein ziemlich einmaliges Flair, das ihr sogar den Titel UNESCO Welterbe eingebracht hat.

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Le Havre – zwischen Postmoderne und Stararchitektur

Die Innenstadt ist auf den ersten Blick eine triste Ansammlung von Betonbauten, die auf dem Reißbrett geplant wurde. Nichts scheint dem Zufall entsprungen zu sein. Es gibt klare Linien, breite Boulevards und viel Platz für Licht. Eine hübsche Altstadt oder pittoresken Hafen mit Flair, wird man hier nicht finden. Das direkte Nachbarstädtchen Honfleur wurde im 2. Weltkrieg verschont und wirkt dagegen wie der perfekte, romantische Touristentraum. Le Havre, die Stadt die unverschuldet in Schutt und Asche lag, hat daher erst Recht einen Besuch verdient. Beim zweiten Hinschauen sieht man nämlich so außergewöhnliche Bauten wie das Kulturzentrum Le Volcan des brasilianischen Stararchitekten Oscar Niemeyer, die 107 Meter hohe Gedächtniskirche Saint-Joseph, sehr viel Liebe zum Detail und grüne Gärten an den Hängen der Stadt.



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#1 Die Musterwohnung von Perret

Wer sich dafür interessiert, was sich Auguste Perret bei der Planung von Le Havre gedacht hat, sollte sich unbedingt die 50 Jahre Musterwohnung auf der Rue de Paris anschauen. Spätestens dann wird einem klar, dass der Stararchitekt den gebeutelten Einwohnern die perfekte Stadt erschaffen wollte. Tatsächlich ist die Wohnung auch optimal für eine Familie mit mehreren Kindern ausgestattet und ich wünschte, wir hätten so einen Wohntraum. Die Wohnung ist bis ins kleinste Detail durchdacht und von den Möbeln, über das Parkett, die Wandschränke und den Müllschlucker bis hin zum kleinsten Gebrauchsgegenstand, immer noch im ursprünglichen Zustand. Wer sich für Architektur interessiert, sollte sich die Führung nicht entgehen lassen. Wir fanden sie großartig.

Heute gehören die Wohnungen von Perret im Übrigen zu den Gefragtesten der Stadt und bringen es schon mal auf einen Preis von 500.000 Euro.

#2 Die Gedächtniskirche Saint-Joseph

Der 107 Meter hohe Turm der Kirche, weist den herannahenden Schiffen schon von Weitem, wie ein Leuchtturm den Weg in den Hafen. Die extrem puristische Kirche ist von außen wirklich nicht hübsch anzuschauen. Von innen hat sie jedoch einen ganz eigenen Zauber. Durch über 12.000 farbige Glasfenster wirft das Sonnenlicht kleine bunte Quadrate in den sakralen Bau. Man sollte sich also etwas Muße gönnen, um das Farbenspiel auf sich wirken zu lassen. Zudem ist Saint-Joseph auch Mahnmal für die Opfer des Krieges.

#3 Die Uferpromenade, der Hafen und die Docks Vauban

Leider hatten wir bei unserem Besuch in Le Havre etwas Pech mit dem Wetter, daher habe ich nicht so viele Fotos. Aber die Uferpromenade mit Blick aufs Meer bietet einen langen Steinstrand, Strandhäuschen, einen Skatepark, gut ausgebaute Fahrradwege und viele Cafes und Restaurants. Im Restaurant Les Pieds dans L`Eau, direkt an der Strandpromenade kann man im Übrigen sehr lecker und halbwegs günstig essen. Wie überall in der Normandie steht auch hier Seafood (und insbesondere Seeschnecken) auf dem Tagesmenü und wird von jedem kleinen Kind gegessen.

Ganz toll soll auch Les Bains des Docks sein, das mir Einheimische empfohlen haben. Das futuristisch anmutende Schwimmbad wurde vom französischen Stararchitekten Jean Nouvel designt. Schwimmbecken und Saunen sind in kubische Formen und gerade Linien eingebettet. Hätte ich extrem gerne gesehen. Dafür haben wir dann bei strömendem Regen die Docks Vauban besucht, die nach dem Vorbild der Londoner Docks 1940 entstanden. Heute beherbergen sie eine moderne Shoppingmall.

#4 Maison de L`Armateur

Eins der wenigen, guterhaltenen Gebäude aus dem 18. Jahrhundert ist das Reeder Haus oder auch Maison de L`Armateur. Von außen wirkt es wie ein typisch, bürgerliches Wohnhaus. Von innen entpuppt es sich mit seinem runden Lichthof und dem Treppenhaus jedoch als Meisterstück der Architektur. Es ist gleichzeitig auch das wichtigste Museum der Stadtgeschichte von Le Havre.

#5 Les Jardins Suspendus

An den Berghängen von Le Havre liegt die eindrucksvolle Gartenanlage Les Jardins Suspendus und bietet einen tollen Ausblick auf die Stadt, die Seine-Mündung und den Hafen. Die Gewächshäuser wurden in die alte Festungsanlage gebaut und bieten eine große Sammlung an Pflanzen aus aller Welt. Gerade bei Regenwetter ein schöner Platz zum Verweilen.

Honfleur – das mitteralterliche Kleinod am Nachbarufer der Seine

Das totale Kontrastprogramm zu Le Havre ist das mitteralterliche Städtchen Honfleur am gegenüberliegenden Ufer der Seine-Mündung. Wandelt man durch die Gassen Honfleurs mit seinen jahrhundertealten, bunten Fachwerkhäuschen, hat man in etwa eine Vorstellung davon, wie hübsch Le Havre vor dem Krieg gewesen sein muß.

Honfleur ist der totale Touristenmagnet und ich empfehle daher unbedingt, so früh wie möglich am Tag zu kommen. Legt nämlich erstmal die AIDA am Hafen in Le Havre an, ist es vorbei mit der Ruhe. Dann wälzen sich unzählige Menschen durch die Altstadt und pilgern von einer Souvenirbude und Galerie in die Nächste. Scheinbar hat sich Honfleur auf Kunst spezialisiert, denn ich habe selten soviele Kunsthändler auf einem Haufen gesehen. Für meinen Geschmack etwas zuviel des Guten. Denn auch die Einheimischen müssen ja noch in einer Stadt leben, die aus mehr als nur Shops für Touristen besteht.

Sowohl Le Havre als auch Honfleur sind unbedingt einen Besuch wert. Gerade in Kombi ist der Unterschied gewaltig. Le Havre wirkt im Gegensatz zu Honfleur fast schon still und leise. Postmoderne trifft auf Mittelalter. Luftige Allen versus enge Gassen. Stararchitektur als Kontrast zu Fachwerk.

Die Normandie war für uns ein absolutes Frankreich-Highlight und es wird auf jeden Fall ein Wiedersehen geben.

Weitere Beiträge zu Frankreich und der Normandie findet ihr hier:

Planet Hibbel in Frankreich (Elsass, Disneyland Paris, Bretagne und Französische Atlantikküste)

(Die Normandie mit Kindern) Die Alabasterküste: Steilküsten, Wikingergeschichte, Mahnmale und Architekturschätze

(Ferienhausurlaub in Frankreich) Unser kleines Versailles in der Normandie

Offenlegung: Wir wurden zu dieser unbezahlten Recherchereise zum Thema „Normandie mit Kindern“ von Normandie Tourismus, Seine-Maritime Tourismus und Interchalet eingeladen. Beiträge dieser Art könnte ich nicht schreiben, wenn ich mir nicht ein eigenes Bild vor Ort machen würde. Da meine Reise keine Vorgaben enthielt, könnt Ihr euch wie immer darauf verlassen, dass mein Bericht meine eigene Meinung und Begeisterung widerspiegelt.

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1 Comment

  • Reply Miuh 4. Juli 2019 at 19:21

    Wirklich eine spezielle Stadt! Ich muss zugeben, mir gefällt Honfleuer mit denn alten Häuschen – und dem 2CV – am besten…
    Hafenstädte haben ja öfters auch weniger schöne Ecken und dennoch haben sie für mich etwas ganz spezielles. Hier geht die Welt aus und ein, locken Abenteuer und spannende Geschichten. Liebe Grüsse, Miuh

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