Friendstravel: Janine von "Wolkenguckerin"

Nachhaltig leben und reisen mit Kindern

by nadine

Vor einigen Monaten bin ich auf den Instagram-Account die_wolkenguckerin von Janine aufmerksam geworden. Janine ist grüne Überzeugungstäterin und bloggt auf Wolkenguckerin über nachhaltiges Leben und Reisen mit Familie. Damit hatte sie bei mir schnell Gehör gefunden, denn ich finde, als Familie ist es oft ganz schön schwierig ein nachhaltiges Leben zu führen. Mit 2-3 Kindern ist ein umweltbewusstes Leben mit extrem viel Organisation, Aufwand und auch finanziellen Mitteln verbunden. Ein Leben ohne Auto ist für uns auf einem Dorf z.B. undenkbar. Unverpackte Einkäufe sind sehr viel teurer als Shopping beim Discounter. Reisen mit Schulkindern sind in der Hochsaison ein finanzielles Desaster und zudem hat man auch noch ein ständiges Zeitproblem.

Aber stimmt das wirklich? Oder geht es tatsächlich auch anders? Denn Janine schafft es auch mit 3 Kindern ohne Auto auszukommen und reist zudem auch noch mit der Bahn in den Urlaub. Und das nicht nur nach Wanne-Eickel, sondern bis nach Finnland. Ich habe Janine daher mal ein paar Fragen rund um ihren nachhaltigen Familien-Lifestyle gestellt.

Liebe Janine, erzähl mal. Wer bist Du und wie bist Du zum Bloggen gekommen?

Mein Name ist Janine. Ich bin 39 Jahre alt und lebe mit meinem Mann und unseren drei Kindern im Münchner Speckgürtel. Neben Ehrenamt und dem Job als Mutter, studiere ich Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt Geschichte an der Fernuniversität in Hagen. Mir fehlt aber inzwischen nur noch die BA Arbeit, da ich seit Anfang März alle meine Prüfungen inzwischen bestanden habe.

Zum Bloggen gekommen bin ich lustigerweise übers Nähen. Kurz nachdem ich anfing für meine Kinder zu nähen kam die Bloggerwelle auf und jeder hatte einen Blog. Vor allem in der Nähszene waren viele Bloggerinnen vertreten und so reihte ich mich da auch mit ein und zeigte unter Längenmaß, später Einfachheitshalber meine Nähwerke und teilte Gedanken rund ums Nähen.

Vielleicht entwickelt man sich über die Jahre einfach, jedenfalls passte dieser Themenbereich immer weniger zu mir und ich wollte über andere Dinge schreiben. Also wechselte ich nach 6 Jahren auf einen komplett neuen Blog. So ein Neuanfang ist befreiend und beängstigend zugleich. Immerhin sind alle Leserinnen auf einen Schlag weg. Aber ich fühle mich auf wolkenguckerin.de pudelwohl und habe endlich ein Zuhause gefunden, auf dem ich schreiben kann, was mir am Herzen liegt.

Was sind denn nun die Themen, die Dir am Herzen liegen?

Auf meinem Blog schreibe ich über alles, was mir wichtig ist. Gerechtigkeit, persönliche Entwicklung, Umweltschutz, Reisen ohne Auto. Ich möchte spannende und für mich relevante Informationen teilen. Denn das ist es, was mir am Herzen liegt: Umweltschutz interessant machen, Tips und Tricks verraten wie man Dinge leicht umsetzen kann, aus meinem Leben erzählen und Menschen dazu bringen, nachzudenken, zu diskutieren und reflektieren.

Ich glaube nicht, dass man dafür perfekt sein muss oder bereits „Influencerin“, sondern dass jeder erreichte Mensch zählt. Nur haben eben viele nicht die Zeit oder Lust, das Internet nach Informationen zu durchforsten. Ich hingegen mache das gerne und versuche dann, die Ergebnisse so zusammen zu tragen, dass viele daraus etwas ziehen können. Ohne Moralkeule (ich bemühe mich wirklich sehr) aber mit Bestimmtheit. Denn schönreden hilft uns allen ja auch nichts.

Habt ihr tatsächlich kein Auto und wie funktioniert das im Alltag?

Ja, wir haben tatsächlich kein Auto. Wir hatten für 4 Jahre lang einen Caddy und haben ihn 2017 verkauft. Für uns ist der Alltag ohne Auto tatsächlich unfassbar einfach. Viele können sich das nicht vorstellen, aber wir hatten ja vor den Jahren mit Auto schon jahrelang keines. Natürlich spielen da die Lebensumstände eine wichtige Rolle. Wir leben in einem Ort mit S-Bahnanschluss, haben eine recht gute Infrastruktur und mein Mann arbeitet in Radfahrdistanz (7 km). Das haben wir bewusst so gewählt, damit ein Leben ohne Auto leicht umsetzbar ist.

Ich selbst studiere von zu Hause aus und die Kinder kommen zu Fuß, per Schulbus oder S-Bahn in ihre Schulen. Wenn wir wirklich einmal ein Auto brauchen, leihen wir uns eines. Das kam im letzen Jahr etwa 4x vor und dann wird auch gleich noch der Sperrmüll entsorgt oder irgendetwas schweres wie Blumenerde oder Farbe gekauft. Und den normalen Einkauf machen wir vor Ort zu Fuß oder mit Fahrrad und Anhänger. Einen richtig ausführlichen Beitrag dazu habe ich grad erst auf meinem Blog veröffentlicht.

Ihr reist ja sogar mit Kind und Kegel nachhaltig mit der Bahn. Wie klappt das?

Ich bin schon immer viel Bahn gefahren und kenne mich deshalb mit vielen Widrigkeiten gut aus und bin im Falle eines Falles meist entspannt. Zudem stresst meinen Mann und mich Auto fahren total. Daher sind wir beide sehr pro Bahn eingestellt. Das tolle am Bahnfahren ist ja, dass die Kinder sich bewegen können und man mit ihnen spielen, ihnen vorlesen oder kuscheln kann. Jetzt wo sie größer sind, können wir selber schlafen oder lesen.

Wir versuchen aber immer die entspannteste Zugverbindung zu nehmen, nicht die kürzeste. Denn jedes Umsteigen ist ein Risiko und je kleiner die Kinder, desto langsamer ist das Umsteigen. Richtige Katastrophen haben wir tatsächlich nie erlebt. Einen Zugausfall in Schweden schon, das war abenteuerlich aber kein Beinbruch. Es braucht einfach genug Zeitpuffer und ich würde tunlichst vermeiden den letzten Zug am Tag zu nehmen. Denn so gut kenne ich die Bahn eben schon.

Wichtig ist natürlich ein minimiertes Gepäck auf Reisen. Rucksäcke statt Koffer haben sich bewährt, so hat man immer die Hände frei für die Kinder. Ich weiß, dass für viele genau dieser Punkt am schwierigsten ist: Wenig Gepäck und Kinder, wie soll das gehen? Wir haben beispielsweise für unseren Finnlandurlaub 2010 mit zwei kleinen Kindern wie folgt gepackt: Alles was die Kinder an Kleidung dringend brauchten musste zuerst in unsere beiden Erwachsenenrucksäcke. Der übrige Platz wurde dann mit unseren Sachen gefüllt. Die Kinder hatten je einen kleinen Rucksack für ihr Spielzeug und Kuscheltier. Wir schauen dann, dass wir unterwegs waschen können, egal ob im Hostel, Appartement oder notfalls in einem Waschsalon. Es ist erstaunlich, wie wenig alle wirklich brauchen.

Was war denn eure schönste nachhaltige Reise?

Unsere schönste und nachhaltigste Reise ging 2018 nach Finnland. Wir sind von München mit dem Nachtzug bis Hamburg gefahren und von dort weiter durch Dänemark und Schweden per Zug. Die Entscheidung, auf der Hinfahrt zwei Nächte in Malmö zu verbringen war genau richtig. Durchschnaufen in dieser schönen Stadt mit ihren Fachwerkhäusern, dem Blick auf die Öresundbrücke und dem Turning Torso ist einfach toll.

Die Überfahrt mit der Fähre wollten wir so kurz wie möglich halten, denn Fähren/Schiffe sind wahre Klimakiller, also überquerten wir Ostsee von Stockholm aus und landeten in Turku. Wir waren drei Wochen in Südfinnland unterwegs mit Bus und Bahn. Haben uns Turku, Helsinki und Porvoo angeschaut. Fuhren nach Savonlinna mit seiner wunderschönen Burg an der Saimaa Seenplatte und machten Familienbesuche in Lahti und Tampere. Auch Pori mit seinem 6km langen Sandstrand in Yyteri durfte nicht fehlen.

Das tolle an Finnland ist, dass man fast überall ohne Auto hinkommt. Die Busse fahren quasi jede Milchkanne an und auch das Bahnnetz ist – zumindest im Süden – gut ausgebaut. Nur in einsame, entlegene Hütten kommt man nicht ohne Auto. In unserem Fall war das weniger problematisch, da unsere finnische Verwandtschaft mit Insel, Mökki, Boot und Auto schon parat stand. So konnten wir auch das Leben im Sommerhaus im Nirgendwo genießen, inklusive Lagerfeuer, Sauna, Frischluftpfannkuchen und einen Sprung in den kalten See.

Fliegst Du denn nun gar nicht mehr? Du warst ja auch schon in Australien.

Ich würde hier gerne schreiben: Nein, ich fliege nicht mehr. Aber die Frage ist leider nicht so einfach zu beantworten. Und ich muss gestehen, dass ich ein zwiegespaltenes Verhältnis zum Fliegen habe. Es ist einfach so katastrophal schlecht für unsere Welt.

Unsere unnachhaltigste Reise war tatsächlich die nach Australien. Nicht nur wegen des Fluges, aber natürlich vor allem deswegen. Deshalb möchte ich eigentlich nicht mehr fliegen, weiß aber genau, dass dieses Vorhaben bis an mein Lebensende nicht einhaltbar sein wird. Ich habe Familie in Australien und irgendwann würde ich sie gerne wieder besuchen.

Und auch nach Canada würde ich sehr gerne einmal. Also werde ich sicher noch mal fliegen in meinem Leben.

Weil ich aber Fliegen ökologisch wirklich problematisch finde, möchte ich es vermeiden, so gut es geht. Deshalb liegen unsere Urlaubsziele auf lange Sicht erst einmal in Europa. Es macht mir ja auch Spaß zu schauen, wohin ich ohne Flugzeug komme. Und das sind sehr viele Länder. Die möchte ich mir anschauen, dort möchte ich Urlaub machen. Ich habe zum Beispiel neulich erst von der traumhaften Zugstrecke durch Frankreich nach Barcelona gelesen. Das lockt mich sehr.

Das Problematische am Fliegen ist ja nicht ausschließlich der dreiwöchige Urlaub alle 2-3 Jahre außerhalb Europas. Ich kenne keine Detailzahlen, aber ich glaube, in der Rankingliste der Fluggründe liegen solche Reisen weit hinten. Ganz vorne stehen vor allem die vielen Wochenend-Städtetrips per Flugzeug innerhalb Europas und die ganzen innerdeutschen oder europäischen Dienstreisen. Wenn wir also alle aufhören würden, wie die Irren durch Europa zu düsen für einen schicken Städtetrip oder die 40. 1-2tägige Dienstreise, dann wäre der Umwelt tatsächlich mehr geholfen. Dennoch sollten auch seltene Flugreisen in weit entfernte Gegenden gut überlegt sein. Denn egal wie oft wir fliegen, der Emissionsausstoß ist einfach jedes Mal ein Problem.

Wie nachhaltig lebt ihr im Alltag?

Oha, gute Frage. Wir sind wirklich sehr bemüht und haben schon viel umgesetzt. Niedriger Strom- und Gasverbrauch, Bezug von Ökostrom, Konsum von Biolebensmitteln, vegan bzw. vegetarische Kost, kein Auto, Umstellung auf einige „zero waste“ Alternativen, selten shoppen gehen – das alles ist inzwischen Normalität für uns.

Sind wir deshalb Vorzeigeökos? Nein. Auch wir tappen in Fallen oder tun Dinge, von denen wir eigentlich wissen, dass sie nicht gut sind. Wir produzieren natürlich Verpackungsmüll, ich bin nicht immer konsequent und kaufe auch mal Pizza beim Bringdienst oder einen Döner für die Kinder. Wir kaufen sehr gerne Bücher, nicht immer faire Kleidung und wohnen nicht gerade beengt.

Ich glaube aber auch nicht, dass wir alle perfekt sein müssen. Wenn wir unser möglichstes tun, und das ist ja bei jedem eine andere Größenordnung, dann ist das ein guter Weg. Letztendlich braucht es für die großen Veränderungen, die wirklich nachhaltiges Leben für alle ermöglichen, politischen Willen und Gesetze.

Hast Du noch Hoffnung für die Zukunft unseres Planeten?

Habe ich Hoffnung für die Zukunft unseres Planeten? Ich glaube, unser Planet wird uns hervorragend überleben. Schließlich braucht er uns nicht. Die Frage ist aber natürlich: haben wir eine Zukunft? Werden wir unsere hausgemachten Probleme überstehen, und wie? Meine Antwort auf diese Frage ist oft echt tagesformabhängig.

Manchmal denke ich, dass wir zu dumm sind und nicht lernen wollen. Die Gefahr, dass wir zu lange an unserem Ist-Zustand festhalten ist einfach groß. Zukunft ist abstrakt und das Hier und Jetzt für sehr viele gemütlich und wenig bedrohlich. Derzeit haben ja vor allem die Menschen unter dem Klimawandel zu leiden, die von uns ganz weit weg sind. Wir sind Gewohnheitstiere und ändern uns selten aus moralischen oder ethischen Gründen. Das muss allen bewusst sein, die wollen, dass die große Menge der Menschheit ihr Verhalten ändert und entsprechende Wege findet. Und das macht mir manchmal riesige Sorgen.

Aber meistens denke ich: Ja, wir können das Rad rumreißen. Wir sind schlau, entwicklungsfähig und haben schon manch tolle Dinge erfunden, weil es notwenig war. Ich höre öfter von spannenden Projekten um vom Menschen verursachte Probleme in den Griff zu bekommen. Wir haben einen unerhörten Selbsterhaltungstrieb. Das Bewusstsein für die ökologischen Probleme steigt, und zwar in sehr, sehr vielen Ländern dieser Erde, nicht nur in den wohlsituierten. Gerade die Länder, die zuerst unter den Folgen leiden, erheben immer lauter ihre Stimme. Und wir bekommen dies alles mit. Das ist die gute Seite der Globalisierung: Informationen wandern schnell und immer weniger kann unter den Teppich gekehrt werden.

Liebe Janine, vielen Dank für Deine spannenden Antworten. Gerade euren Trip nach Finnland mit der Bahn finde ich ja wahnsinnig spannend. Ohne Familie und mit wenig Geld in der Tasche bin ich früher sehr häufig gereist. Mit Bus und Bahn quer durch Südoasien oder Interrail durch Europa? Total normal! Die Vorstellung mit 2 Kindern auch so entschleunigt zu reisen, fällt mir im Moment noch sehr schwer. Zumal wir nie mehr als 2-3 Wochen am Stück Zeit haben. Aber irgendwie ist ja alles ein Prozess und wer weiß, wohin uns unsere nachhaltige Reise noch führen wird!

Copyright: Alle Fotos sind von Janine (Wolkenguckerin) und wurden mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

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2 comments

Melanie 26. März 2019 - 14:32

Danke, für das inspirierende Interview mit Janine! Wir haben im Alltag zwar auch schon viel umgesetzt, aber mit der Bahn sind wir noch nie länger in den Urlaub gefahren. Das sowas sogar mit 3 Kindern funktionieren kann, sieht man ja hier. Wahrscheinlich sind wir alle viel zu bequem geworden. Früher war es ja völlig normal, das man sich Tage oder gar Monate auf die Reise gemacht hat. Viele Grüße, Melanie

Reply
nadine 30. März 2019 - 9:00

Hallo Melanie! Ich fand es in der Tat auch echt inspirierend und denke gerade schwer über so eine Art Reise nach. Das ist mal eine etwas andere Art von Abenteuer. Einfach nur ins Flugzeug setzen und nach 2 Stunden wieder aussteigen kann ja eigentlich jeder ;). LG, Nadine

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