Friendstravel: Jenni und Mark von der Strandfamilie

Eine Weltreise mit Kind, Kegel und Corona

by nadine

Jenni und Mark vom Familienreiseblog Strandfamilie folge ich noch gar nicht so lange, umso mehr hat mich jedoch schnell ihre aktuelle Reise fasziniert. Die Zwei haben nämlich im Januar 2020 ihr Haus verkauft, um mit ihren zwei Söhnen im Alter von 8 und 11 Jahren ein Jahr um die Welt zu reisen. Ein Traum, den sich mittlerweile immer mehr Familien erfüllen. Dieses Jahr ist aber nun extrem ungünstig für so einen Trip. Viele Weltreisende mußten ihre lang geplanten Reisen abbrechen, sind irgendwo gestrandet und am Ende in die Heimat zurückkehren. Da ich selber 2 Jahre auf Weltreise war, kann ich mehr als gut nachvollziehen, wie sehr das schmerzen muß.

Die Strandfamilie versucht jedoch das Beste aus diesem Jahr zu machen und reist nun durch Europa statt um die Welt. Da es durch Covid19 fast unmöglich ist, irgendwelche Routen und Pläne zu schmieden, entscheiden sie dabei immer spontan wohin der Wind sie wehen soll. Das Besondere am Ihrem Trip ist aus meiner Sicht aber auch die Art zu reisen. Denn sie setzen sich nicht einfach schnell ins Flugzeug, sondern reisen langsam und nachhaltig mit Bus oder Bahn.

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Ich habe Jenni mal ein paar Fragen rund um ihre Corona-belastete Weltreise gefragt und herausgekommen ist ein sehr spannendes Interview.

Die Strandfamilie: Eine Weltreise mit Kind, Kegel und Corona

Liebe Jenni, erzähl mal. Wie seid ihr auf die Idee gekommen eine Weltreise zu machen?

Tatsächlich sind wir keine typische Reisefamilie. Unsere Elternzeit und die ersten Familienurlaube haben wir im heimischen Garten oder eben in Deutschland verbracht. Erst vor wenigen Jahren haben wir unsere Liebe zum Reisen entdeckt. Und im Garten unseres Reihenhäuschens passierte dann wohl das Entscheidende: der Kostenvoranschlag für die Renovierung unserer Terrasse lag auf dem Tisch. Da ratterte es gleich los: Wie lange wir stattdessen reisen könnten! Und auf einmal ging alles ganz schnell: Unsere Kinder fanden die Idee, eine Weltreise zu machen, auch super und jedes Argument gegen eine Reise hatten wir schnell entkräftet. So sagten wir dem Fliesenleger ab und luden stattdessen einen Makler ein, um den Wert für unsere Immobilie herauszufinden.

Das Haus verkaufen ist ja schon ne mutige Nummer. Was hat euch zu diesem Schritt veranlasst?

Da sind wir völlig emotionslos. Auch wenn unsere Kinder dort aufgewachsen sind und wir 10 wundervolle Jahre dort verbracht haben – wir hängen nicht an diesem Haus. Nur ganz kurz spielten wir mit dem Gedanken, das Haus für die Dauer unserer Reise zu vermieten, jedoch wollten wir ohne „Altlasten“ und „Verpflichtungen“ losreisen. Keine Sorgen haben, ob der Sturm über Deutschland das Dach abgedeckt hat oder der Keller vollgelaufen ist… Und nicht zu vernachlässigen war natürlich der Verkaufspreis, den wir für unser Reihenhäuschen bekommen haben. Die gestiegenen Grundstückspreise im RheinMain-Gebiet wurden so zum Vorteil für uns.

Wie sollte eure Reise aussehen und was ist, durch COVID 19, nun daraus geworden?

Geplant war ursprünglich, möglichst auf dem Landweg, durch Südostasien zu reisen. Von dort wollten wir dann nach Australien und Neuseeland. Da wir Anfang Februar unsere Weltreise starteten, holte uns COVID-19 leider schon recht früh ein. Während wir in Rom, Thailand und Laos von den fehlenden chinesischen Touristen „profitierten“, wandte sich in Vietnam das Bild. Wir Touristen brachten Corona ins Land, das spürten wir an den ängstlichen Blicken der Einwohner, die sich wegdrehten, die Nase zu hielten oder sogar wegrannten, wenn wir vorbeiliefen. Das zwischenzeitliche Ende unserer Weltreise kam dann durch die weltweite Reisewarnung.

Es gab keine Möglichkeit mehr, in andere Länder zu reisen und dort bleiben wollten wir auch nicht. Der Versuch, im letzten Moment noch nach Australien zu gelangen, scheiterte an den Transitflughäfen, die uns teils nur wenige Stunden vor unserer geplanten Ankunft die Tür vor der Nase zuschlugen. Nach einer kurzen Weltreisepause in Deutschland reisen wir nun durch Europa. Wir haben zahlreiche Ecken in Deutschland erkundet, sind einmal komplett durch Kroatien gereist und genießen jetzt Italien. Eine Route gibt es nicht, diese ist Corona-abhängig und somit nicht planbar.

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Wie reist ihr herum? Bzw. wie kommt ihr von A nach B?

Am liebsten reisen wir mit dem Zug. Innerhalb eines Kontinentes versuchen wir, aufs Fliegen möglichst komplett zu verzichten. Durch das langsame Reisen bekommen wir einen ganz anderen Bezug zu den Entfernungen und der geographischen Lage. Wir hätten zum Beispiel in nur einer Stunde von Rom nach Sardinien fliegen können, stattdessen sind wir etwa 9 Stunden mit der Fähre auf die Insel geschippert. Da sitzt man schnell vor der Karte und schaut sich die Entfernungen zu anderen Ländern an. Am liebsten mögen – vor allem unsere Kinder – Fahrten im Nachtzug. Reisen fühlt sich im Zug gleich viel abenteuerlicher an. Ob wir nun eingekuschelt im Bett die fremde Landschaft an uns vorbeiziehen lassen oder die Einheimischen in den öffentlichen Verkehrsmitteln beobachten – irgendwie sind wir „näher“ dran und trotz längerer Anfahrt direkt mittendrin.

Vor Ort nehmen wir dann doch immer wieder einen Mietwagen, sei es, weil mein Magen nicht für die kurvigen Busfahrten durchs Gebirge geeignet ist, oder weil eben nicht alle Länder mit passenden Zugverbindungen ausgestattet sind. In eher flacheren Gegenden oder da, wo es die Infrastruktur hergibt, nutzen wir dann aber wieder den öffentlichen Nahverkehr.

Wie unterrichtet ihr die Kinder?

Unsere beiden Jungs (11 und 8 Jahre alt) haben eine Schulbeurlaubung für ein Jahr erhalten. Mit den Lehrern und Schulleitern haben wir individuelle Lösungen für die Kinder gefunden (Julian darf z.B. in seine alte Klasse zurück, Jonas „verliert“ ein Jahr und geht wieder in die 5. Klasse). Einige Lerninhalte wurden mit den Lehrern besprochen, diese streuen wir passend im Reisealltag immer wieder ein. Tatsächlich ist es viel weniger, als wir erwartet hatten, da die Lernziele nur für Mathe und Deutsch vereinbart wurden. In allen anderen Bereichen lernen die Kinder durch die Reise unglaublich viel. Wir beschäftigen uns mit der Kunst Michelangelos in den Vatikanischen Museen, helfen beim Reisanbau in Laos, beleuchten den Kommunismus in Vietnam. Historische Begebenheiten, fremde Kulturen, Ländergeschichte und Erdkunde gehören auf unserer Reise zu den Haupt-Lerninhalten. Dabei passiert der Rest von allein: wir MÜSSEN Bruchrechnen, Prozentrechnung und Diagramme lesen lernen, um die Texte über die verschiedenen Länder zu verstehen.

Zum Beginn der Reise bearbeiteten wir noch Schulhefte, seitdem wir uns jedoch auf die „freie Gestaltung des Lernens“ eingelassen haben, lernen wir alle viel mehr und das ohne Streitigkeiten. Es gibt keine Lehrer/ Schüler-Rollenverteilung. Wir lernen gemeinsam voneinander und miteinander. Außerdem ist mein aktueller Eindruck, dass wir so viel nachhaltiger lernen. Unser Wissen wird meist direkt mit Erlebnissen verknüpft. Es gibt kein Auswendiglernen, sondern eher ein Begreifen und Verstehen.

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Wie sieht euer Reisealltag in Corona-Zeiten aus? Man muss ja immer damit rechnen, dass einem von jetzt auf gleich Freiheiten genommen werden.

Als wir im Mai wieder mit dem Reisen starteten (da noch durch Deutschland), war uns schon bewusst, dass uns Einschränkungen durch COVID 19 während der kompletten Reise begleiten werden. Wir lesen täglich die regionalen Online-Zeitungen, um uns ein Bild zur Stimmung vor Ort machen zu können, verfolgen die Corona-Fallzahlen und Einreisebestimmungen für andere Länder. Es ist nicht die Reise, die wir uns vorgestellt haben. Nicht nur, weil es nun durch Europa geht und der krasse Kulturunterschied oft fehlt – viel mehr, weil wir nicht die Freiheit leben können, von der wir geträumt haben. Freies Reisen, wie es sich ein Weltreisender wünscht, wäre aktuell nicht möglich und auch nicht verantwortungsvoll. Dies ist die Realität, die wir akzeptieren müssen.

Seid ihr schon mal in eine brenzlige Situation gekommen?

Richtig brenzlig nicht, aber der Lockdown in Vietnam hat uns schon sehr an unsere Grenzen gebracht. Wir wohnten zu dem Zeitpunkt bei einer vietnamesischen Familie, die selbst sehr verunsichert durch das Virus war. Eines morgens brachte uns unsere Gastgeberin ohne Vorankündigung ins Krankenhaus, zum Corona Test. Wir waren schockiert, als wir das örtliche Krankenhaus sahen. Unsere Kinder hatten Angst, wir verstanden kein Wort. Die Abstriche in Mund und tief in die Nase sowie die Blutabnahme waren sehr unangenehm. Auf dem Rückweg wurde unser Sohn auf der Straße ohnmächtig (Angst, kein Frühstück, Hitze und Tragen eines Mundnasenschutzes bei den Temperaturen waren einfach zu viel). Wir hatten Angst und zu viele Sorgen.

Da war klar, dass wir den Rückholflug des Auswärtigen Amtes nutzen würden. Um diesen Flug zu erreichen, mussten wir aber erst durch das halbe Land reisen. In einer Zeit, zu der es offiziell keinen Personen-Nahverkehr dort gab. Hotels durften keine Gäste aufnehmen. Die Botschaft forderte uns dazu auf, uns nach „Hanoi auf eigene Faust durchzuschlagen“, gab uns aber auch den Kontakt eines Hotels, welches uns aufnehmen würde und einen „Passierschein“, auf dem auf Vietnamesisch gebeten wurde, uns trotz Verbot durchs Land reisen zu lassen, damit wir zurück nach Deutschland fliegen könnten. Am Ende klappte alles ganz wunderbar und endete mit einem tränenlachenden vietnamesischen Taxifahrer zum Flughafen, der es nicht glauben konnte, dass wir freiwillig zurück nach Deutschland fliegen, in ein Land, welches viel höhere Corona-Fallzahlen hatte als Vietnam.

Copyright @Strandfamilie

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Denkst Du, dass euch diese Reise prägen wird und ihr als andere Menschen zurückkommen werden? Bzw. glaubst Du, dass ihr euch wieder in den stinknormalen Alltag einfügen könnt?

Wir merken jetzt schon, wie sehr wir uns verändert haben. Unsere Prioritäten sind neu gesetzt. Seitdem wir eine Weile die gewohnten Strukturen und das „System“ verlassen haben, blicken wir nun ganz anders auf unsere Werte und Normen. Viele völlig normale, alltägliche Dinge hinterfragen wir nun. Wir ertappen uns selbst dabei, wie viel gelassener wir mit den Kindern umgehen, weil der „Druck“ von außen fehlt. Manchmal neigen wir Eltern dazu, uns und unsere Kinder mit anderen zu vergleichen. Davon sind wir aktuell völlig frei, ob wir uns dies wieder zurück im Alltag und eben auch in einem Umfeld mit anderen Familien und unseren Freunden bewahren können, das wage ich zu bezweifeln. Vieles entsteht eben doch unbewusst. Ohne aktive Entscheidung.

Wir wollen, dass unsere Kinder eigene Entscheidungen treffen und aus Erlebnissen lernen. Als die Jungs noch jünger waren, wollte ich nie verbieten, dass sie Sand essen. Aber ehrlich, wenn die Mutter neben mir ruft: „Iss das nicht, da hat vielleicht eine Katze reingemacht!“, wie soll ich dann begeistert zuschauen, wie mein Kind die wertvolle Erfahrung macht, wie Sand schmeckt?? Das Ende unserer Reise (im Februar 2021 endet die Schulbeurlaubung für unsere Kinder) können und wollen wir uns nicht vorstellen. Unsere Kinder in der Schule, eine Wohnung mit Möbeln, in der wir leben und ein fester Alltag mit Freizeitaktivitäten in einem vollen Terminkalender – all das sehe ich momentan nicht für uns. Früher oder später wird es jedoch wieder unser Leben sein.

Nach und nach werden wir zurückfinden, einige Erinnerungen an die Reise werden verblassen und andere werden immer bleiben und unser zukünftiges Leben beeinflussen. Auf jeden Fall werden wir viele Dinge viel mehr schätzen als früher. Für mich dabei an einer der vorderen Positionen: Waschmaschinen!!

Liebe Jenni und lieber Mark, vielen Dank für das spannende Interview! Genießt das kommende halbe Jahr. Aus Erfahrung weiß ich wie unglaublich schnell die Zeit auf Reisen vergeht und wie schwer es anfangs fällt, sich wieder im normalen Alltag einzuleben. Aber die grandiosen Erfahrungen, die man auf so einem Trip macht, wird man für immer in seinem Herzen tragen und sind einfach unbezahlbar. 

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