Wer meinem Blog schon länger folgt, kennt sicher auch meinen Gedankensalat und meine Gewissensfragen in Punkto Reisen. Unser aller Reiseverhalten hat sich in eine Richtung entwickelt, die man in vielerlei Hinsicht wohl als negativ bezeichnen könnte. Reisen ist ein Billigprodukt geworden und wir konsumieren es, ohne groß nachzudenken. Wir fliegen heute hier und morgen da hin und sammeln Länder wie Trophäen. Wir überfluten manche Orte und zerstören damit die Lebensgrundlage der Einheimischen. Wir posten jede Sequenz unseres Lebens auf Instagram und reisen für 5 Minuten Ruhm an Orte, die uns vielleicht gar nichts bedeuten. Wir kaufen uns Erlebnisse und Erinnerungen und unser Reisekonsum zerstört unsere Welt. Eine Entwicklung, die mich so betrübt, dass ich in den letzten 2 Jahren oft darüber nachgedacht habe, hier das Blog-Handtuch zu werfen.
Wie ihr seht, bin ich immer noch da und das liegt daran, dass ich meinen Job einfach liebe. Denn ich wollte immer nur reisen, schreiben und inspirieren. Vor einer TV-Kamera zu stehen, kam allerdings nie darin vor ;). Daher bin ich auch jedesmal ziemlich verschreckt, wenn ich Anfragen vom Fernsehen bekomme. Die Vorstellung in einem Format à la Frauentausch zu landen, verursacht mir solche Gruselei, dass ich normalerweise direkt absage.
Nun hat allerdings das ZDF bei mir angeklingelt und wollte meine Meinung als Reise-Expertin wissen. Wie hat sich das Reiseverhalten der Deutschen seit dem 2. Weltkrieg verändert? Und wohin wird es sich nun, in Zeiten einer Pandemie und Klimawandel, entwickeln? Ich habe ein paar Tage gebraucht, um mich zu überwinden und dann zugesagt. Denn manchmal muß man im Leben halt auch ein Risiko eingehen.
10 Stunden Dreharbeiten mit dem ZDF
Ein Tag Dreharbeiten mit der Filmcrew von Kelvinfilm war wirklich superspannend, witzig und lehrreich. Drehort war das beschauliche Münsterland, wo wir am Ufer des Flüsschens Werse gecampt haben. Wir haben in einem bequemen Schlafwürfel übernachtet, ein weiteres Zelt aufgebaut und sind stundenlang in einem Kanu die Werse hoch und runtergeschippert. Bis eine Szene im Kasten ist, dauert es halt Ewigkeiten. Es wackelt, die Sonne ist weg, einer guckt doof…. irgendwas ist immer. Dazwischen wurden mir immer wieder Fragen zum Thema Reisen gestellt. Wie hat sich das Reisen in den letzten 10 Jahren verändert? Warum habe ich angefangen zu bloggen? Wie war unser 3wöchiger Sommerurlaub in Deutschland? etc. etc.
Es war ein warmer, sonniger Tag, unser Sohn hüpfte immer wieder vom Kanu ins Wasser und hatte einen riesigen Spaß und wir haben unglaublich viel gelacht. Allein dafür hat es sich gelohnt.
Sehnsucht Urlaub: So reist Deutschland
Herausgekommen ist nun eine Doku, die ganz anders ist, als ich erwartet habe. Aber sie ist interessant, informativ und erklärt anschaulich, wie sich die Deutschen seit dem 2. Weltkrieg zum Reiseweltmeister entwickelt haben.
ZDFzeit erzählt die Entwicklung der Ferien seit dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland. Wie wachsender Wohlstand die Ansprüche an die Zeit der Erholung in die Höhe schraubte. Und die Corona-Pandemie plötzlich die Frage nach dem Ziel der „Sehnsucht Urlaub“ aufbrachte.
Die Deutschen machen am liebsten Urlaub im eigenen Land. 2020 sind es noch mehr als sonst. Eine exklusive Umfrage für ZDFzeit findet heraus, was die Deutschen von der schönsten Zeit des Jahres erwarten und welche Hoffnungen sie in Zukunft daran knüpfen.
-ZDFzeit-
Nach dem zweiten Weltkrieg hatten die Deutschen kaum Geld für Ferien. Es wurde gewandert, mit dem Fahrrad gefahren oder mit der Bahn gereist. Urlaub machte man fast nur in Deutschland und genoss dann für ein paar Tage die Berge oder die See. Ende der 60er Jahre begann das Zeitalter des Massentourismus. Neckermann erfand die Pauschalreise und machte Urlaub für die Masse erschwinglich. Länder wie Italien oder Spanien wurden von Touristen überflutet und ganze Fischerdörfer wurden dafür ausradiert und neu erschaffen. In der DDR entwickelte sich zeitgleich eine Parallelwelt – es ging mit dem Trabi oder der Bahn in sozialistische Bruderstaaten. Nach der Wende kosteten die Ostdeutschen ihre Freiheit aus und bereisten, wie keine Nation zuvor, die Welt. Man fuhr in immer entlegenere Regionen, Fernreisen und Kreuzfahrten etablierten sich und Reisen mutierte vom exklusiven Luxus zum Statussymbol des Durchschnittsbürgers.
Renommierte Historiker, Tourismus- und Zukunftsforscher kommentieren Rückblick, Gegenwart und Zukunft. „Sehnsucht Urlaub“ lässt Prominente zu Wort kommen, die von ihren Urlaubserfahrungen erzählen. Wie aufreibend war die Fahrt über den Brenner früher? Und wie aufregend die erste Liebe am Plattensee? Außerdem dokumentiert die Reise-Bloggerin Nadine Lessenich ihren Deutschland-Urlaub. Was wird sie im Sommer 2020 erleben?
-ZDFzeit-
Die Folgen: Klimawandel, Overtourism und eine Pandemie!
Der Corona-Lockdown brachte nun den Tourismus zum Stillstand und wohlmöglich wird Reisen nie wieder so sein, wie es einmal war. Eine ganze Branche liegt weltweit am Boden und es läuft nur schleppend wieder an. Auch meine Tätigkeit hat das extrem betroffen. Im März und April hat kein Mensch mehr Reiseblogs gelesen. Immer wieder flackert die Pandemie irgendwo auf. Was heute als sicher gilt, ist morgen schon wieder Riskogebiet. Wie gehen wir mit dieser Krise um? Steckt in ihr vielleicht auch eine Chance für Mensch und Natur? Wie können wir in Zukunft überhaupt noch reisen?
Mein Fazit und Traum vom Reisen
Das Ergebnis der Doku war auch für mich eine riesige Überraschung, denn ich hatte keine Ahnung was genau da entsteht. Von unserem 10stündigen Einsatz ist gerade mal eine Minute Sendezeit übrig geblieben und ich war anfangs etwas enttäuscht. Soviel Arbeit, so wenig Ertrag. Aber ich denke, dass was ich am Ende sage, trifft den Kern. Wir müssen nicht mit dem Kanu durch den Amazonas schippern, wenn wir ähnlich tolle Erlebnisse auch vor der eigenen Haustüre erleben können.
Da fängt man sich eh nur gruselige Krankheiten ein, geht den indigenen Völkern auf den Keks und trifft auf gruselige Spinnen und Schlangen ;). Ich muß ergo auch nicht Grönland bereisen, nur um die letzten aussterbenden Eisbären und abschmelzenden Gletscher zu sehen. Nicht, weil mich all das nicht rasend interessiert. Sondern um unseren Planeten zu schützen.
Ich für meinen Teil, habe diesen Corona-Sommer dazu genutzt, unsere Heimat endlich mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Und wir haben phantastische Orte dabei entdeckt, für die manch ein Asiate oder Amerikaner normalerweise um die halbe Welt fliegt. Gut, manchmal fehlte uns ein wenig die Prise Exotik. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, fühlen sich Bundesländer wie Sachsen oder Bayern für mich doch manchmal sehr ausländisch an. Ich verstehe nämlich kein Wort ;).
Es wird dringend Zeit unser Reiseverhalten zu hinterfragen. Für wen reisen wir überhaupt? Für uns oder um Andere zu beeindrucken? Ist unser ausschweifendes Reiseverhalten es wert, dass wir unsere eigene Lebensgrundlage zerstören? Reicht es nicht auch, nur alle paar Jahre mal eine Fernreise zu machen? Gibt es Alternativen zum Flugzeug? Und sollten wir Reisen wieder als das ansehen, was es ist? Nämlich Luxus!
Für mich ist die Sache ganz klar und nicht erst seit Corona. Ich möchte weniger, aber dafür länger unterwegs sein. Ich möchte bewusster und intensiver reisen. Wie auf meiner einjährigen Weltreise 1999, meiner einjährigen Australien-Umrundung 2002oder unserer 2monatigen Elternzeit in Thailand 2012. Ich möchte, dass auch der Weg das Ziel ist und dafür intensive Anreisen in Kauf nehmen. Denn ein 2stündiger Flug in einer Co2-Blechschleuder ist zwar praktisch, aber weder spannend noch nachhaltig. Und ich möchte meinen Alltag schöner gestalten, um nicht ständig den Reflex Flucht zu haben. Wie ich all das mit Schulkindern und meinem Job als Reisebloggerin machen soll, weiß ich zwar noch nicht so genau, aber auch das ist wohl Teil meiner Reise hier.
ZDFzeit: Sehnsucht Urlaub und Sehnsucht Kreuzfahrt
Die Doku „Sehnsucht Urlaub“ könnt ihr euch in der ZDF Mediathek anschauen.
Der 2. Teil der Doku läuft am Dienstag, den 25.8. um 20:15 Uhr auf dem ZDF: Sehnsucht Kreufahrt – Branche in schwerer See
Weitere spannende Berichte zum Thema „Reise-Konsum“ findet ihr auch bei meinen Reiseblogger-Kolleginnen Jenny und Christina:
Ich reise, also bin ich? Warum uns Reisen nicht glücklich machen wird
Reisen als romantisierte Konsumfalle?
Offenlegung: Dieser Beitrag enthält persönliche Werbung für die ZDF Doku „Sehnsucht Urlaub“.
4 comments
Den Alltag schöner gestalten, um den Fluchtreflex zu vermeiden – das ist ein ganz wichtiger und sehr guter Punkt, finde ich. Genau da können wir Reiseblogger doch auch etwas tun, indem wir Inspirationen für Mikro Abenteuer und Reisen in der näheren Umgebung geben.
Liebe Grüße
Jenny
Liebe Jenny, genau das machen wir ja auch eigentlich schon. Allerdings frage ich mich dann schon, wie das alles in der dunklen Jahreszeit funktionieren soll? Ich mag mittlerweile auch den Winter, aber hierzulande ist der nur grau, dunkel und nass. Da setzt automatisch ein Fluchtreflex ein. 🙁 LG, Nadine
Liebe Nadine, ich fand euch toll ♥! Für meinen Geschmack hat man euch aber viel zu wenig gezeigt und ich hätte lieber auf die ganzen Stimmen der Promis verzichtet ;). Ganz liebe Grüße, Carla
Liebe Carla, danke für Deine lieben Worte. Das freut mich so sehr. ♥