50 Tage Corontäne! Hätte ich am Neujahrstag in eine Glaskugel geschaut und das aktuelle Szenario gesehen, hätte ich mich sicher für betrunken erklärt. Das Jahr 2020 hat für mich schon nicht ganz so knorke angefangen, aber mit so einer krassen Steigerung habe ich dann doch nicht gerechnet. Und wir haben gerade mal den 1. Mai. Aber nun gut…. man wächst ja an seinen Aufgaben und nun sitzt die ganze Welt ein riesiges Psychoexperiment aus. Aber zum Glück ist man zusammen ja weniger allein. Und so bekloppt dieses Stay at Home auch ist, hat es ja tatsächlich auch ein paar gute Seiten. Nämlich The Simple Life. Und das können wir eigentlich alle mal ganz gut gebrauchen (inkl. mir). Der April 2020 geht definitiv in die Geschichte der Unwägbarkeiten ein.
Dies & Das im April 2020
#1 Fünfzig Tage Corontäne! Was macht das mit uns?
Fünzig Tage stecken wir nun schon in diesem Salat und kein Ende in Sicht. #staypositive klappt an manchen Tagen relativ gut und ich blende aus, was ich eh nicht ändern kann. Aber dann gibt es Momente, da fühle ich mich gefangen wie ein Tiger im Käfig, habe Zukunftsangst und könnte heulen. Was macht dieses neue Leben mit uns und den Kindern? Seit einer gefühlten Ewigkeit haben wir weder Freunde noch Familie gesehen, sämtliche Reisen und Kurztrips wurden abgesagt und von meinem Job als Reisebloggerin will ich hier gar nicht mehr reden. Und dabei sitzen wir, verglichen mit anderen Menschen auf dieser Erde, eine Luxus-Quarantäne aus. Da ich auch vorher kein Partygirl war, halte ich es länger ohne Kneipen oder Shopping aus. Aber ich trauere um unsere gemeinsamen Familienreisen und vermisse Zeit mit Freunden und meinen alten Eltern. Außerdem brauchen Kinder dringend andere Kinder und auf Dauer sind wir Eltern einfach kein adäquater Spiel- und Rumhängersatz.
Natürlich hat diese sehr intensive Familienzeit auch positive Aspekte. Soviel gemeinsame Zeit haben wir das letzte Mal vor 8 Jahren in unserer Elternzeit in Thailand verbracht. Auf Dauer halte ich sie jedoch für ziemlich unnatürlich. Es braucht nun mal ein ganzes Dorf um Kinder zu erziehen und wir Menschen sind in der Regel keine Einzelgänger. Wir hatten dieses Jahr viele schöne Erlebnisse mit unseren Kindern geplant, die wir nun nicht machen können. Ich war nie ein Mensch der Träume auf die lange Bank schiebt. Denn wer weiß schon was morgen ist? Wir haben nun einen Teenie in da House und da sind die gemeinsamen Tage so langsam gezählt. Daher empfinde ich diese Corontäne schon ein bißchen als gestohlene Lebenszeit. Auch wenn wir versuchen das Beste aus der Situation zu machen.
#2 Coronaeltern! Annemie, isch kann nit mieh!
Als Coronaleltern versuchen wir zudem unsere Kinder zu unterrichten, zu bespaßen und zeitgleich die Wirtschaft am Laufen zu halten. Ein Unterfangen bei dem wir dauerhaft nur auf der Strecke bleiben können. Zeit für uns bleibt null. Geschweige denn, das sich diese Phase irgendwie entschleunigt anfühlt. Einerseits scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, andererseits habe ich nun gefühlt noch mehr Arbeit als zuvor. Wenn 3-4 Personen über Wochen 24/7 an ein Haus gefesselt sind, fällt jede Menge Hausarbeit an. Neben dem Homeschooling versuche ich zudem die Scherbenhaufen meines Reiseblogs einzukehren. Dazu habe ich mich in den letzten Wochen sehr häufig über die Abwesenheit und das „Desinteresse“ unseres Gymnasiums aufgeregt. Ein Thema, das ich gerade nicht erneut anschneiden mag, sonst bekomme ich nur Wütchen. Für manch einen Punkt meiner „30 Dinge, die mich trotzdem glücklich machen und bei Laune halten„, blieb also oft gar keine Zeit. Wir bräuchten also dringend Urlaub von dieser Corontäne.
Abgesehen davon, muß ich meine Kinder aber echt loben, denn die machen das seit Wochen ganz tapfer mit. Es gibt Tage, da liegen die Nerven blank und es geht nicht viel. Da lasse ich es dann einfach gut sein, um unser Familienleben nicht völlig zu schrotten. Meist ziehen sie das Schulding hier aber ohne groß zu Murren durch. Vorteile hat das Homeschooling auf jeden Fall auch. Ich weiß nämlich jetzt endlich mal, wie ihr Leistungsstand ist und wieviel sie schon können und wissen. Abgesehen davon haben sie Zuhause viel mehr Ruhe als in der Schule, können sich dadurch besser konzentrieren und liefern meines Erachtens auch bessere Ergebnisse ab.
#3 Die Neuentdeckung von Heimat & Routine
Tatsächlich gibt es auch etwas, das ich wirklich schön finde. Nämlich die Neuentdeckung von Heimat & Routine. Als die hibbelige Frau Hibbel gehörte das bisher nämlich nicht unbedingt zu meinen Spezialgebieten. Routine fand ich immer superöde und zuletzt dachte ich auch, wir kennen bereits jeden Stein vor unserer Haustüre mit Namen. Dass das gar nicht unbedingt stimmt, habe ich nun auf zahllosen Radtouren und kleinen Wanderungen in unserer Umgebung erfahren. Wir haben sogar riesige Tulpenfelder vor der Nase, die scheinbar jedes Instagramsternchen bereits kannte. Nur ich nicht ;). Der Mensch hat das Bild unserer Rhein-Erft-Region durch Chemiefabriken und Steinkohleabbau verschandelt und den Tieren und Pflanzen ihren Lebensraum genommen. Wenn man aber mal genauer hinschaut, gibt es dort auch immer noch so viele bezaubernde Ecken.
Und auch in der Routine und den ganz einfachen Dingen kann ein Zauber liegen. Der Kaffee am Morgen, den ich mir immer auf die gleiche Art und Weise mache. Barfuß durch das noch taufrische Gras unseres Höfchens laufen. Dem Flieder beim Blühen zuschauen. Die ersten Blättchen des gepflanzten Mangolds sprießen sehen. Der tägliche Spaziergang durch die Felder. Ich bin ja schon länger auf der Suche nach mehr Slow Life. In manchen Momenten finde ich es nun tatsächlich. Ohne auf Reisen zu gehen.
#4 Urlaub auf Gut Hibbel
Die Absage der Osterferien war ein herber Schlag. Und das, obwohl wir nur in den Harz und nach Leipzig fahren wollten. Ich hatte mich echt auf diesen Trip gefreut. Da wir seit Jahren in jeden Ferien unterwegs waren, hatte ich einigermaßen Bammel. Wie macht man Urlaub daheim, ohne größere Ausflüge oder andere Mini-Highlights? Was soll ich sagen? Es war echt schön und wir haben es tatsächlich ohne bleibende Schäden überlebt. Allerdings hat uns der Wettergott auch mit spektakulärem April-Sommerwetter versorgt, wodurch wir eigentlich durchgehend draußen in unserem Höfchen waren.
#5 Klimawandel! Die wirkliche Gefahr!
Durch das durchgehend wunderschöne Aprilwetter und die 3. Trockenheit in Folge haben wir ein weiteres Problem: Äcker und Wiesen, die wie die Wüste Gobi aussehen. Das Coronavirus mag bedrohlich erscheinen, aber Trinkwassermangel ist mit Sicherheit der Supergau für die Menschheit. Auf unseren zahlreichen Wanderungen waren wir zudem erschüttert, über z.T. völlig abgestorbene Wälder. Gerade Fichtenhaine sind völlig vertrocknet und vom Borkenkäfer angegriffen. Wenn dann noch die Bulldozer durch die Wälder fahren, bleibt ein Bild der Verwüstung zurück. Sieht auch nicht so viel anders aus, als die gerodeten Regenwälder Brasiliens. Ein Funke reicht, um dem Wald den Rest zu geben und an Szenarien wie in Australien zu denken.
So schön es aktuell auch ist, dass viel weniger Verkehr auf den Straßen und am Himmel ist – wenn wir diese Krise nicht nutzen, um endlich umzudenken, wird uns noch viel Schlimmeres als Corona bevorstehen. Ja, wir müssen die Wirtschaft stückweise wieder hochfahren, damit nicht Millionen Menschen arbeitslos werden. Aber wir brauchen z.B. keine Abwrackprämie um den Kauf von Diesel und Benziner-Autos anzukurbeln. Und wir sollten uns endlich mal fragen, ob konstantes Wirtschaftswachstum wirklich sein muß? Ich finde nicht, denn ich möchte noch eine Zukunft für meine Kinder haben und auf einem lebenswerten Planeten alt werden.
Wie habt ihr den April hinter euch gebracht und wie kommt ihr mit der Situation klar? Für den Mai (und die nächsten Monate) habe ich meine Ansprüche ja mittlerweile ganz weit heruntergeschraubt. Schon schwierig, nur noch so von Tag zu Tag zu leben. Ohne schöne Aussichten, Ziele oder Träume! Aber vielleicht sind es ja gerade die kleinen Dinge und nicht immer die großen Highlights, die das Leben schön machen!?